Verhaltensauffälligkeit bei Trennungskindern?

Sobald ein Kind, dessen Eltern getrennt sind, sich in irgendeiner Art und Weise auffällig verhält, kommt die Frage auf, ob daran nun die Trennung Schuld sei.

„So ist das eben bei Scheidungskindern“, „Das ist eine typische Reaktion bei Trennungskindern.“ „Die Kinder leiden immer am meisten“. 

Das sind nur drei der Aussagen, die viele getrennte Eltern hier und da mal gehört oder gelesen haben.

Außerdem kennen viele Alleinerziehende diesen Gedanken:

Ist das eine Verhaltensauffälligkeit, die wegen der Trennung auftritt oder eben entwicklungsbedingt ganz „normal“? 

Ist mein Kind so wütend, weil ich mich von seinem Vater getrennt habe?

Wird mein Kind nun immer traurig sein, nur weil wir Eltern nicht mehr zusammen sind? 

Hätte ich meinem Kind zuliebe weiter durchhalten sollen und etwas gegen die Trennung tun?

Wäre mein Kind weniger rebellisch, wenn wir als Eltern noch zusammen wären?

Ist mein Kind so aggressiv, weil wir es als Eltern nicht geschafft haben?

Das schlechte Gewissen und Schuldgefühle hängen mit diesen Fragestellungen ganz eng zusammen. Ich bin noch keiner alleinerziehenden Mutter begegnet, die sich zumindest nicht hin und wieder mit Schuldgefühlen geplagt hat.

Eindeutige Antworten wird es auf all die Fragen selten geben. Sehr viele Verhaltensweisen, die Kinder unter sieben Jahren zeigen, sind entwicklungsbedingt normal. 

Wie ein Kind sich nun verhalten würde, wären die Eltern nicht getrennt, können wir nicht wissen. Eines ist aber klar: Ein Kind, das mit sich ständig streitenden Eltern aufwächst, zeigt ganz sicher nicht weniger auffällige Verhaltensweisen.

 

Die Ursache, weshalb ein Kind sich wie verhält, ist gar nicht so wichtig.

Schon gar nicht, wenn wir daran nichts ändern können. Was in den meisten Fällen von Trennungen der Fall ist. Was bringt es also, sich wegen der vermeintlichen Ursache ein schlechtes Gewissen zu machen, wenn du daran sowieso nichts ändern kannst.

Richte den Fokus besser auf das, das du beeinflussen kannst. Dein Umgang mit der Situation und die Art und Weise, wie du deinem Kind begegnest und wie du es durch die Trennung begleitest.

 

Viel eher sollten wir unseren Fokus darauf lenken, wie wir unser Kind unterstützen können, damit es mit der Trennung mittelfristig gut zurechtkommt. 

Das ist oft gar nicht so einfach, weil das Umfeld des Kindes vorschnell Schlüsse zieht und die Eltern damit konfrontiert.

Manchmal kommen die Aussagen so unerwartet, dass eine gute Reaktion darauf gar nicht möglich ist. Mit der Zeit legst du dir sicher ein dickeres Fell an und lernst auch, ungefragte Ratschlägen zu begegnen.

Ein schlechtes Gewissen aufgrund der Trennung steht einer guten Begleitung des Kindes im Weg. Es wird im Leben eines jeden Kindes immer Dinge geben, die schwierig sind. Bei euch ist es die Trennung. 

Ob es sich um eine Verhaltensauffälligkeit aufgrund der Trennung handelt oder nicht, ist also zweitrangig. Wichtig ist, wie wir unseren Kindern dabei begegnen und wie wir sie begleiten.

 

4 Verhaltensweisen bei Trennungskindern, die für Kinder unter sieben Jahren nicht ungewöhnlich sind:

 

  • Sie sind anhänglich und oft scheu

Kleine Kinder sind für Trennungen jeglicher Art nicht gemacht. Oft verstecken sie sich hinter ihren Bindungspersonen und bleiben nur ungern ohne sie irgendwo. Sie sprechen nicht einfach so mit Fremden und geben oft auch keine Antwort, wenn sie etwas gefragt werden. Sie zeigen Scheu gegenüber Menschen, zu denen sie keine Bindung haben. Jeder, der mit Kindern unter sieben Jahren zu tun hat, kennt diese Verhaltensweise.

Bei Trennungskindern wird dieses überhaupt nicht ungewöhnliche Verhalten schnell auf die Trennung geschoben. Hier ist es wichtig, dass die Eltern genau hinschauen und das Kind gut begleiten. Wenn es darum geht von einem Elternteil zum anderen zu wechseln, kann es auch vorkommen, dass das Kind sich an seine Hauptbindung klammert und nicht so ohne weiteres 

 

  • Sie haben Probleme bei Übergängen

Gerade Trennungskinder haben mit vielen Übergängen in ihrem Leben zu kämpfen. Das liegt aber nicht allzu sehr an der Trennung, sondern an der Tatsache, dass es Kindern unter fünf bis sieben Jahren sowieso schwer fällt, von einer Situation in die andere zu wechseln. 

Kleine Kinder brauchen oft unsere Hilfe, um Übergänge gut zu bekommen. Oft hilft es, wenn wir sie darauf vorbereiten und die Veränderung begleiten. Zu erwarten, dass ein Kind immer ohne Probleme von einer Situation zu einer anderen wechselt, ist unrealistisch.

Wenn das Kind sich gegen den Umgang bei einem Elternteil wehrt, kann dies auch ganz einfach an der Schwierigkeit liegen, mit dem Übergang umzugehen.

In diesem Artikel habe ich einige mögliche Gründe aufgeführt, die dahinter stecken können, wenn ein Kind nicht zum Vater möchte: Mein Kind will nicht zum Vater (mit-kindern-reifen.de)

 

  • Sie haben Trennungsängste

Jeder Mensch hat hin und wieder mit Trennungsängsten zu tun. Wir sind Wesen der Bindung und sind für Trennung nicht gemacht. 

Wer fühlt nicht den Alarm in sich aufsteigen, wenn er an den Verlust eines geliebten Menschen denkt? Kinder begreifen erst mit zunehmendem Alter, dass die Eltern nicht für immer an ihrer Seite sein werden.

 

Alleine schon, größer zu werden, löst Alarm in Kindern aus. Sie fangen an zu realisieren, dass sie irgendwann nicht mehr Eins mit ihren Eltern sein werden. Kommt eine Trennung der Eltern mit dazu, kann diese Verhaltensauffälligkeit schon mal stärker auftreten. Hier gilt es, nicht gegen die Ängste anzukämpfen, sondern dem Kind den Raum einzuräumen, um seine Gefühle auszudrücken. 

Wie du deinem Kind helfen kannst, wenn es Angst vor Trennungen hat, darum geht es in diesem Artikel:

10 Tipps wie du deinem Kind bei Trennungsängsten nach der Trennung der Eltern helfen kannst (mit-kindern-reifen.de)

 

  • Sie zeigen aggressives Verhalten

Kleine Kinder verfügen noch nicht über eine zuverlässige Impulskontrolle und lassen ihren Gefühlen oft freien Lauf. 

Beißende Kindergartenkinder sind nicht ungewöhnlich. Hier ist es die Verantwortung der Erwachsenen, dem Kind zu helfen, mit der Frustration auf anderen Wegen umzugehen. 

In akuten Situationen müssen sie das Kind, sowie alle anderen, schützen. Klein- und Vorschulkinder sind in dieser Situation meist nicht in der Lage, anders zu handeln.

Hier ist es wichtig, dass du das aggressive Verhalten deines Kindes nicht persönlich nimmst und siehst, was es wirklich ist. Dein Kind leidet und braucht deine Hilfe, um mit seiner Frustration besser umgehen zu können.

In diesem Artikel geht es um das Thema Aggressionen bei Trennungskindern:

5 Dinge, die du über Aggressivität bei Trennungskindern wissen solltest (mit-kindern-reifen.de)

Viel wichtiger als diese einzelnen Verhaltensweisen bei Trennungskindern wahrzunehmen ist es, darauf zu achten, wie sich dein Kind nach der Trennung verändert. Wenn du feinfühlig und zugewandt bleibst, wirst du merken, ob und wie dein Kind sich verändert. 

Oft sorgt der Verlust der bisher gekannten Struktur für Unsicherheit und Kinder brauchen einfach Zeit, sich an den neuen Alltag anzupassen. 

Dafür brauchen sie klare Strukturen und verlässliche Erwachsene in ihrem Leben. Das gibt Sicherheit und hilft den Kindern, sich zu orientieren und sich versorgt zu fühlen.

 

 

Gib ihnen die Sicherheit, die sie brauchen, um zur Ruhe zu kommen. 

Wenn du in der angespannten Trennungssituation dazu nicht in der Lage bist, hol dir Hilfe und signalisiere deinen Kindern, dass du dafür sorgen wirst, damit es euch allen wieder gut geht.

 

Wenn dein Kind unter 7 Jahren als ist, dann solltest du unbedingt dieses Video anschauen.

In dem Video erfährst du 3 wichtige Dinge:

  • Weshalb die 3 gängigen Umgangsmodelle Residenzmodell, Wechselmodell und Nestmodell nur als grobe Richtschnur dienen können.
  • Weshalb Kleinkinder und Vorschulkinder bei der Trennung der Eltern besondere Begleitung brauchen.
  • Weshalb der Satz „Die Kinder leiden am meisten“, unreflektierter Bull*it ist.

Wenn du deine E Mail-Adresse einträgst, sende ich dir den Link zum Video:

 

 

Egal, welches „Problem“: echtes Spiel kann helfen

Spiel ist ein wunderbares Mittel, um mit schwierigen Situationen klarzukommen. Wie ein solches Spiel aussehen kann, behandle ich in meinem Video-Kurs „Wie Kinder trotz Trennung glücklich und geborgen aufwachsen.

Solange Kinder spielen und all ihren Emotionen Ausdruck verleihen können, werden sie ziemlich sicher mit der schwierigen Situation klarkommen. Hilf deinem Kind, die nötige Ruhe und den Raum zu finden, um ins Spiel einzutauchen. Du kannst es dabei auch unterstützen, in dem du ihm Geschichten erzählst oder ihr gemeinsam malt oder spielt.

Wichtig bei echtem Spiel ist, dass etwas aus dem Kind herauskommt. Das Kind also von innen heraus bewegt wird. Kinder lieben in der Hinsicht Rollenspiele, welche vielen Erwachsenen, mir eingeschlossen, schwerfallen. Vielleicht spielt dein Kind ja gerne mit Puppen oder Kuscheltieren. Wichtig ist, das wir unseren Kindern einen Raum halten, der frei ist von Unterhaltung.

Denn Entertainment ist kein Spiel. Überall da, wo Kinder konsumieren kommt selten etwas von innen nach außen.

 

An der Verbindung festhalten bei Trennung

Wenn Kinder also für Trennung nicht gemacht sind, müssen wir dafür sorgen, dass sie sich verbunden fühlen, auch wenn wir nicht anwesend sind.

Je reifer ein Kind ist, desto besser kann bei physischer Trennung an der Verbindung zu uns festhalten.

Die Lösung für die Verbindung während meiner Abwesenheit fand meine Kleine damals selbst.

Wir nehmen einfach eine ganz lange Schnur und spannen die von hier bis ins Saarland. Du hältst das eine Ende fest, ich das andere (so machen wir das manchmal Abends beim Einschlafen).

Wir hatten dann doch nicht genug Wolle um die 150km zu überbrücken😊.

Also gab sie mir einen Schal von ihr, den ich anziehen sollte, und sie nahm sich einen Schal von mir mit, den sie anziehen wird. Kinder haben manchmal die besten Ideen, wenn wir sie einfach mal fragen und ihnen zuhören.

Es gibt viele Wege, eine Trennung zu überbrücken. Ich bin mir sicher, du kannst euren ganz eigenen Wege finden.

Gerade Trennungskinder unter sieben Jahren brauchen dabei die Unterstützung der Eltern.

Das Elternteil, das anwesend ist, kann einen großen Beitrag dazu leisten, dass die Beziehung zu dem nicht so häufig betreuenden Elternteil ebenfalls auf einem festen Fundament steht. Auch dies behandle ich ausführlich in meinem Video-Kurs.

Den Gedanken, ob eine Verhaltensauffälligkeit bei Trennungskindern auf die Trennung zurückzuführen ist, habe ich vor Jahren abgehakt.

Was ist überhaupt eine Auffälligkeit? 

Vieles sind einfach ganz gesunde Entwicklungsschritte.

Ich habe keine Ahnung, wie sich meine Tochter verhalten würde, wären ihre Eltern nicht getrennt. Ich weiß aber, dass es ganz viele Kinder gibt, deren Eltern nicht getrennt sind, die genau dieselben Herausforderungen zu meistern haben.

Am Ende kommt es darauf an, wie wir unsere Kinder begleiten und wer wir für sie sind.

Wenn die Verhaltensauffälligkeiten nach der Trennung sehr extrem sind und du dich überfordert fühlst, kannst du dir natürlich jederzeit professionellen Rat und Hilfe holen.