Trotzphase, eine gefürchtete Phase bei vielen Eltern. Direkt nach der Pubertät. Dabei kann es Spaß machen, unsere Kinder durch die verschiedenen Entwicklungsphasen zu begleiten.
Trotz ist nicht gleich Trotz. Und nicht jeder emotionale Ausbruch ist Streben nach Autonomie. Das ist es, was mir in den letzten 4 Wochen klarwurde.
Da ich immer wieder von Eltern lese, die ständig ein „Nein“ von ihren Kindern hören und dies ganz selbstverständlich der Autonomiephase zuschreiben, habe ich mich entschieden, diesen Artikel zu veröffentlichen.
Denn reagieren Kinder mit Gegenwillen, kann das verschiedene Gründe haben.
Wir haben während eines Kurses am Neufeldinstitut den Gegenwilleninstinkt durchgenommen und endlich verstehe ich, was hinter der sogenannten Trotzphase steckt.
Und wieso viele Kinder da relativ gut durchkommen und andere hingegen nicht so gut.
Ja, vielleicht sogar lange darin steckenbleiben.
Zuerst einmal wurde mir klar, dass es sich beim Gegenwillen um einen sehr starken Instinkt handelt, gegen den es absolut sinnlos ist, anzukämpfen.
„Auf Wiedersehen, Machtkämpfe!“
Schön wärs! Es ist erstaunlich zu sehen, dass ich theoretisch weiß, worum es sich handelt und wie ich darauf angemessen reagieren könnte, es aber in der Praxis nicht immer umsetzen kann.
Denn reagiert meine Tochter mit Gegenwillen, weckt das in mir meinen Gegenwilleninstinkt, und ich kann nicht anders, als „nein“ zu sagen. Das ist zumindest mein erster Impuls.
Mittlerweile merke ich es und kann im zweiten Schritt einlenken.
Bereits Otto Rank hat vor langer Zeit den Begriff des „Counterwill“ geprägt. Desto verwunderter bin ich, dass ich erst kürzlich bei Gordon Neufeld davon gehört habe.
Otto Rank hat den Zweck des Gegenwillen darin gesehen, Kinder von äußeren Einflüssen zu schützen, so dass sie ihren eigenen Willen entwickeln können, ihr Selbst.
Diese Art des Gegenwillen passt also gut zur Trotzphase, die mittlerweile zurecht Autonomiephase genannt wird.
Bei Gordon Neufeld wird in dem Zusammenhang von emergenter Energie (Hänschen-Klein-Energie) gesprochen. Sind die Bindungsbedürfnisse des Kindes erfüllt, zieht es los, die Welt zu entdecken.
Es will vieles selbst machen und braucht den Raum, um seine Individualität zu entwickeln.
Diese Art von Gegenwille ist herausfordernd für alle, die mit Kindern zu tun haben.
Wenn wir aber verstehen, was dahintersteckt, können wir die positiven Aspekte sehen.
Irgendwie sagt uns das ja auch, dass die Bindungsbedürfnisse unseres Kindes gesättigt sind und sie dadurch frei sind, ihren eigenen Willen zu zeigen.
Ich genieße es, mich zurückzulehnen und zu schauen, wohin meine Tochter durch ihr emergentes Spiel gelangt.
Es ist eine Art von Gegenwille, der unbedingt seinen Raum braucht. Wird dieser Raum nicht gegeben, folgt das Kind nicht mehr seinen eigenen Ideen, kann sich wenig begeistern und weiß irgendwann nicht, wer es eigentlich ist.
Die Kinder brauchen also viel Raum für freies Spiel. Für mich gibt es nichts Schöneres, als meiner Tochter unauffällig beim Rollenspiel zuzuschauen.
Meine Tochter fällt eher in die „Kategorie sehr emergentes Kind“. Ihre vielen Ideen waren in den ersten Jahren wirklich oft mehr als herausfordernd für mich.
Ständig musste ich sie vor sicher selber schützen, Gefahren aus dem Weg räumen um ihr genügend Raum zum Ausleben zu geben.
Die sogenannte „Ja-Umgebung“ zu schaffen war gar nicht einfach. In der Phase, in der sie Wasser interessant fand, wurde meine Gelassenheit regelmäßig auf den Prüfstand gestellt.
Es gibt aber noch eine andere Art von Gegenwille, den Gordon Neufeld herausgestellt hat und der mir so einige Situationen erklärte.
Dieser dient nicht den Autonomiebestrebungen des Kindes, sondern tritt auf wenn der Wille, zu kooperieren kleiner ist, als die gestellten Forderungen.
Dieser Instinkt taucht überall auf und auch Erwachsene haben diesen nicht immer im Griff.
Wenn ich zurückdenke, fallen mir einige Situationen ein, in denen ich Entscheidungen getroffen habe, rein aus Gegenwillen.
Es gibt Menschen, die in mir als erste Reaktion ein „Nein, aber…“ auslösen.
Dieser Gegenwille hat mit der Beziehung, mit der Bindung zu tun. Ist die Bindung zu dem Zeitpunkt nicht stark genug, sind wir nicht ohne weiteres in der Lage, zu kooperieren.
Deswegen auch oft die Antwort auf die Frage „Wieso hast du das kaputt gemacht?“ von schon bisschen größeren Kindern.
„Ich konnte nicht anders!“
Das fasst es gut zusammen, ist unsere Beziehung gerade nicht aktiv, das Kind vielleicht gerade an sein Spielzeug gebunden oder an seine Kindergarten Freundin, dann ist der Wille, zu kooperieren nicht gegeben. Das Kind reagiert, völlig instinktiv mit Gegenwillen.
Außerdem schützt dieser Instinkt das Kind vor Einflüssen von Fremden: „Du bist nicht meine Mama, du hast mir nichts zu sagen!“
Das erinnert mich an eine Situation gestern im Supermarkt.
Es hatte sich jemand vorgedrängelt und erst „wollte“ ich mit Gegenwillen reagieren, bis ich sah, dass ich diese Person ganz gut kannte und sogar mochte. Plötzlich war das Vordrängeln gar nicht störend.
Es ist die Beziehung zu besagter Person, die den Unterschied ausmachte. Sicher kannst du dich an viele solcher Erfahrungen erinnern.
Was sagt uns das also zum Umgang mit unseren Kindern?
Der Gegenwille, den ich als erstes beschrieben habe, zeigt sich, wenn die Bindungsbedürfnisse gestillt sind und braucht unbedingt Raum.
Beim zweiten beschriebenen Gegenwillen, sollte uns das Hinweise auf die Beziehung zum aktuellen Zeitpunkt geben.
Bindung vor Weisung!
Und genau dazu habe ich schon öfters die Erfahrung gemacht, dass es zum Beispiel morgens das Wichtigste ist, mein Kind zu allererst einzusammeln und an mich zu binden.
Denn die Nacht ist die längste Trennung überhaut, unsere Beziehung muss morgens erst aktiviert werden. Wenn ich diesen Schritt verpasse, läuft nichts rund.
Der letzte ultimative Ausdruck ihres Gegenwillen ist dann, dass sie sich auf die Toilette setzt und dort eine halbe Stunde sitzen bleibt.
Denn dagegen kann ich ja nichts sagen. Das Büro muss warten bis sie auf der Toilette das fünfte Buch gelesen hat.
4 Tipps, die mir geholfen haben:
- Gegenwille niemals persönlich nehmen, sich klarmachen, dass das Kind gar nicht anders kann. Es ist ein starker Instinkt, den ich selbst oft nicht im Griff habe.
- Mit dem Gegenwillen rechnen, und mich nicht davon überraschen lassen.
- Niemals mit Erziehungsmaßnahmen reagieren, denn der Schlüssel liegt in der Stärkung der Beziehung. Disziplinierung verschlimmert das Problem, weil es die Bindung belastet. Ist das Kind im Gegenwillen, ist bereits die Bindung nicht stark genug, um das Kind zur Kooperation zu bewegen. Also fokussiere ich darauf, mein Kind wieder „einzusammeln“. (Augenkontakt, Nicken, Lächeln, Nähe)
- Druck rausnehmen…ist das Kind im Gegenwillen, verstärkt Druck nur die Ablehnung und den daraus resultierenden Machtkampf gewinnt keiner. Bei uns hilft oft, die Situation umzulenken, zu spielen, Spaß zu machen und das Thema später nochmal aufzugreifen.
„Niemals die Einheit zerstören lassen“, wie Otto Rank bereits festhielt. Ich stehe auf der Seite meines Kindes, ganz egal, was ist.
Gegenwille wirkt sehr provozierend und weckt in uns starke Instinkte.
Als reife Menschen sind wir diesen Instinkten jedoch nicht hilflos ausgeliefert.
Wir, als reife Menschen, können abwägen, können Impulse ausbalancieren und reflektieren. Leider gelingt mir das auch nicht immer, aber immer öfters.
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Danke. Einfach mal Danke. Dafür, dass ich hier zum aller Ersten mal die Aussage lese, die mir in allen Ratgebern und so weiter bisher gefehlt hat. Der Punkt, dass man den Konflikt später besprechen und mit dem Kind ausmachen soll ist etwas, das steht so ziemlich über all. Kurz angeschnitten steht dort auch, dass Ablenken und Umlenken helfen. Aber leider nicht, dass das oft auch sehr frustrierend sein kann und man da einfach immer weiter machen muss mit. Ich bin derzeit in einer Situation in der mir – als Papa – echt schnell der Kragen platzt, weil mein Kind selbst beim Umlenken und Ablenken weiter macht. Hier finde ich zum ersten mal die Aussage, dass man dann einfach immer weiter machen muss, auch wenn es nicht immer klappt. Dafür muss ich meinen Dank aussprechen.
Als alleinerziehender Vater eines 3-jährigen Jungen habe ich oft mit Trotzanfällen zu kämpfen. Dieser Artikel hat mir die Augen geöffnet und mir gezeigt, dass es nicht immer nur um Trotz geht, sondern oft um Bindungsbedürfnisse. Ich habe gelernt, dass ich meinem Sohn mehr Nähe und Verständnis geben muss, anstatt frustriert zu reagieren. Die Tipps und Erkenntnisse aus dem Artikel waren für mich sehr wertvoll. Ich fühle mich jetzt besser gerüstet, um mit den Herausforderungen umzugehen und die Bindung zu meinem Sohn zu stärken.