mein Kind weint oft

Es gibt weniges, was so schwer auszuhalten ist wie die Tränen der eigenen Kinder. Schließlich wollen wir sie glücklich sehen.
Es soll ihnen gut gehen, sie sollen Spaß haben und gesund sein.

Unsere Kinder zufrieden, fröhlich und ausgelassen zu sehen lässt unser Herz überlaufen vor Glück.
Aber was, wenn unser Kind unzufrieden ist? Was macht das mit Eltern?
Ich kann mich noch gut an die ersten Jahre erinnern, in denen jeder unglücklich klingende Ton meiner Tochter in mir alle Alarmglocken ringen ließ.
Das ist von der Natur sehr gut angelegt. Schließlich sollen wir ja auch direkt reagieren wenn unser Baby etwas braucht.

Die Kinder werden größer und das Weinen ist immer noch nicht so einfach auszuhalten.

 

Was ich dabei lange Zeit vergessen habe ist die wichtige Rolle, die ich dabei als Mama habe.

Es geht nicht darum, meinem Kind alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen und dafür zu sorgen, dass es zufrieden ist.
Nein, ich habe eine ganz wichtige Rolle, wenn es um die Tränen meines Kindes geht. Ich bin dazu da, diese auszuhalten und zu begleiten.

Wir alle bekommen nicht immer, was wir gerne hätten. Es gibt einfach Situationen, die so sind wie sie sind. Wir können versuchen, diese für uns zu ändern. Darin war ich sogar sehr beharrlich. Immer und immer lief ich in meinem Leben an die selbe Wand. Jahrelang.

Bis es eingesunken ist und ich realisiert habe, dass sich diese Situation, so traurig das ist, für mich nicht ändern wird.

Vielleicht irgendwann einmal, aber ich habe mein Mögliches versucht. Dann blieb nur noch eines übrig, nämlich es zu akzeptieren und den Verlust zu betrauern.

Es gibt viele kleine, alltägliche Situationen, in denen wir zu dem Punkt kommen sollten, an dem wir einfach akzeptieren.

 

Dasselbe gilt aber auch für Kinder, die an ein „Nein“ stoßen und es immer und immer wieder versuchen.

Sie werden frustriert, sie versuchen und versuchen aber es geht einfach nicht.
Das einzige, was dann noch übrig bleibt ist Weinen.

Trauern, dass etwas nicht so funktioniert wie sie es sich wünschen. Und dazu sind wir da, sie zu halten, all ihren Emotionen Raum zu bieten und ihnen zu zeigen, dass wir stark genug sind, mit ihnen durch diese schmerzhafte Erfahrung zu gehen.

Deutlich machen, dass unsere Beziehung durch nichts erschüttert werden kann – auch nicht durch heftige Gefühlsausbrüche.
Denn es ist ja so. Echte Resilienz kann nur mit Hilfe von Trauer entwickelt werden. Und so hielt ich mich viele Jahre für sehr resilient. Ich war aber nicht resilient, ich war gepanzert, wie hinter einer Schutzmauer. Mein Gehirn hat mich vor Verletzungen geschützt, so dass vieles gar nicht bis in mein Herz durchdrang.

So entsteht keine Resilienz.

Es ist erleichternd, wenn ein Mensch endlich zu seinen Tränen findet, Tränen der Trauer. Keine Tränen der Wut oder Frustration, sondern „Tränen der Vergeblichkeit“ (Prof. Gordon Neufeld, Entwicklungspsychologe)

Mit diesem Wissen sehe ich die Tränen meiner Kleinen mit ganz anderen Augen. Ich freue mich über jede echte Träne, die ich entdecke. Leider kommt das sehr selten vor. Meist ist es ein langer Weg, sie von der Wut hin zur Trauer zu begleiten. Sehr oft lenkt sie davor ab und es ist kein Rankommen mehr.

Meine Tochter ist sehr sensibel, erscheint aber ziemlich cool. So als wäre sie immer gut gelaunt. Sie strahlt immer. Ein kleiner Sonnenschein.
Dennoch gibt es in ihrem Leben viele Umstände, die betrauert werden müssten. Diese kann ich kaum ansprechen, sie macht dicht, direkt. So ist es für mich höchst alarmierend, wenn ich sehe, dass die Tränen ihren Weg nicht finden.

Das Herz aufweichen und zu diesen verletzlichen Gefühlen vordringen funktioniert bei uns eigentlich nur im Spiel.

 

 

„Wenn Kinder weinen, dann ist die Verletzung bereits passiert. Das Weinen ist nicht die Verletzung, sondern die Verarbeitung der Verletzung“ (Althea Solter)

Mir das immer wieder bewusst zu machen, hilft mir, die Tränen meiner Kleinen einzuladen und auszuhalten. Auch mal ihre schlechte Laune auszuhalten.
Es ist so ungewohnt für mich, dass mein Kind schlecht gelaunt ist.

Meine erste intuitive Reaktion wäre, ihr zu sagen, dass das alles nicht so schlimm ist. Aber damit verursache ich noch mehr Rückzug auf ihrer Seite. Für uns habe ich gemerkt, meist ist es am besten, nichts zu sagen, nichts zu fragen. Einfach da sein und mit ihr traurig sein. Sie verstehen und ihr den Raum geben, um schlecht gelaunt zu sein.

Beim Einkaufen konnte ich die Kraft der Tränen so richtig spüren.

Bevor meine Tochter ihre Tränen darüber gefunden hatte, dass wir nicht alles kaufen können was sie gerne möchte, war Einkaufen großer Stress für uns.
Immer und immer wieder wurde sie frustriert über die Tatsache, dass es nicht all das gab, was sie wollte. Du kannst dir vorstellen, wie das in der Praxis aussah.

Ich saß nicht nur einmal neben einem wütend strampelnden und schreienden Kind auf dem Supermarktboden. Als ich sie noch tragen konnte, hab ich sie immer aus der Schusslinie genommen, so dass sie nicht auch noch den vielen Blicken ausgesetzt war.

Erst als sie die Tränen der Trauer darüber fand wurde Einkaufen ohne Stress möglich. Es sank ein, dass wir eben nun mal nicht alles kaufen können. Da hilft auch nichts, dem Kind das immer und immer wieder zu erklären. Das Kind muss es fühlen, um darüber trauern zu können.

Nur das, was wir betrauern, können wir wirklich akzeptieren.

Es ist also wichtig, für Enttäuschungen unserer Kinder Platz einzuräumen, ihnen zu helfen, diese zu überleben und hinterher zu merken, dass es gar nicht so schlimm war.

Es wird viele Dinge in ihrem Leben geben, die sie nicht ändern können. Die Trauer über diese Dinge verändert den Menschen. Er wächst daran.

 

Stärke entsteht also aus einer Verletzlichkeit heraus.

Für echte Widerstandskraft brauchen wir all unsere Gefühle. Wir müssen in der Lage sein, Trauer zu spüren und dann auch irgendwann loszulassen. Wer auf den nächsten Berg steigen möchte, muss erst durch das Tal hindurchkommen. Und das geht viel leichter, wenn wir keine Angst vor Tränen haben.

Genauso wachsen wir Eltern daran, unseren Kindern diesen Raum zu bieten. Es stärkt unseren Platz als Fels in der Brandung und lässt uns reifen. Es ist unglaublich, welche Kräfte Eltern entwickeln, wenn sie für ihre Kinder stark sein müssen.

Denn zeigen wir unseren Kindern, dass wir mit ihren Gefühlen nicht klar kommen, dann löst das großen Alarm im Kind aus. Denn wenn wir seine Gefühle schon nicht aushalten können, wie soll der kleine Mensch das schaffen?

 

Für mich sind Tränen etwas positives, sie gehören zum Menschen dazu, sie transformieren und heilen ihn.

Sie machen das Herz weich und ebnen den Weg für viele Gefühle. Und was ist das Leben ohne all die Gefühle in all den unterschiedlichen Facetten.

Wenn du über Trennung nachdenkst oder bereits getrennt bist und Kinder unter 7 Jahren hast, dann solltest du unbedingt dieses Video anschauen:



In dem Video erfährst du 3 wichtige Dinge:

  • Weshalb die 3 gängigen Umgangsmodelle Residenzmodell, Wechselmodell und Nestmodell nur als grobe Richtschnur dienen können.
  • Weshalb Kleinkinder und Vorschulkinder bei der Trennung der Eltern besondere Begleitung brauchen.
  • Weshalb der Satz „Die Kinder leiden am meisten“, unreflektierter Bull*it ist.

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