Selbstständigkeit wird in unserer Gesellschaft großgeschrieben. „Mein Kind ist unselbstständig“, eine große Angst vieler Eltern.

Von Kindern wird immer früher erwartet, dass sie vieles alleine können. Was musste ich mir dazu schon für Sprüche anhören.

Der Höhepunkt aller Bemerkungen war wohl, als mir gesagt wurde, ich solle meine Erziehung überdenken, weil meine Tochter nicht immer ohne weiteres ohne mich alleine irgendwo bleiben will.

Große Sorge hätte ich, wenn as Gegenteil der Fall wäre – wenn sie stets, ohne Wenn und Aber ohne mich bleiben würde.

Ein Satz, den ich immer mal wieder zu hören bekomme und der auch nicht viel besser ist:

 

„Aber sie muss doch irgendwann auch mal alleine klarkommen, ohne dich! Sonst kapselt sie sich ja nie ab.“

„Ja, irgendwann- genau richtig! Wir sprechen gerade über ein 5-jähriges Kind!

Das Absurde ist, dass ich wenig Kinder kenne, die so selbstständig sind wie meine Tochter. Sie ist vor kurzem 5 geworden und ihre Selbstständigkeit kam von ganz alleine.

Es ist nun ihr Wunsch, alleine zum Bäcker zu gehen, um die Brötchen zu bestellen. Es ist ihr Wunsch, dass ich bei Kindergeburtstagen direkt gehe.

Es ist ihr Wunsch, dass ich beim Kinderturnen noch dabeibleibe. Es ist ihr Wunsch, dass wir morgens zusammen ihre Lieblingserzieherin suchen und sie noch mit ihr winkt.

Es ist ihr Wunsch, dass sie alleine vorlaufen darf zu unserem Spielplatz. Es ist ihr Wunsch, alleine mit ihrem Fahrrad um unseren Häuserblock zu fahren. Es ist ihr Wunsch, dass ich bei ihr bleibe, bis sie schläft. Es ist ihr Wunsch, dass ich mich zurückziehe, wenn sie mit ihren Freunden spielt.

Es ist aber auch ihr Wunsch, dass ich in Sichtnähe bleibe. Es ist mein und ihr Wunsch, dass ich ihr morgens im Kindergarten noch immer die Hausschuhe anziehe, während sie auf meinem Schoss sitzt.

 

Eltern dürfen auch 5-Jährigen noch bei alltäglichen Dingen helfen ohne Angst zu haben, sie würden nie alleine klarkommen.

Über die Hausschuhe Sache habe ich noch nie nachgedacht – bis ich letztens von einer Mutter gefragt wurde, ob ich auch in die Schule kommen würde, um meinem Kind die Sportschuhe anzuziehen.

Was für ein ausgemachter Blödsinn. Meine Kleine kann sich wunderbar selbst anziehen, aber so lange ich da bin und es für uns beide passt, ziehe ich ihr die Hausschuhe an. Das ist mir tausend Mal lieber als ihr hundert Mal zu drohen, dass sie sich beeilen soll, weil ich zur Arbeit muss. Denn so machen das viele andere Eltern.

Wie viel leichter ist es, das Kind nochmal auf den Schoß zu nehmen, es zu knuddeln, ihm zu sagen, wie sehr ich mich auf den Nachmittag freue und ihr dabei die Hausschuhe anzuziehen.

 

Oft geht es Eltern in solchen Situationen um Prinzipien.

Klar, die Kinder können sich meist mit 5 selbst anziehen. Es ist aber trotzdem schön, wenn man Hilfe bekommt und umsorgt wird. Genau das habe ich letztens zu einem befreundeten Kind gesagt. Ich hielt sein T-Shirt hin um es ihm überzustreifen. Er meinte direkt völlig ablehnend: „Ich bin doch kein Baby mehr!“ Alles klar, ich gab ihm das T-Shirt mit den Worten.

„Stimmt, das bist du nicht. Ich weiß, dass du es selbst kannst, aber es ist doch trotzdem schön, wenn man Hilfe bekommt!“ Später ging er zu seiner Mutter und bat sie, im bei den Schuhen zu helfen und wurde ausgelacht.

 

Es stimmt einfach nicht, dass Kinder, die viel liebevolle Unterstützung bekommen es nie lernen würden.

Kinder haben einen ganz starken Antrieb, etwas selbst zu machen. Man darf ihnen nur nicht im Weg stehen, wenn sie es gerade lernen wollen. Sie zur Selbstständigkeit erziehen zu wollen macht meines Erachtens keinen Sinn.

Dieser schlaue Satz „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr!“ scheint noch in vielen Köpfen tief verankert zu sein.

Es gibt sie auch bei uns, die Zeiten, in denen meine Tochter ganz alleine ihren Weg gehen möchte und die Zeiten, in denen sie mich noch unbedingt dabeihaben will. Das hängt natürlich auch ganz stark von der Umgebung ab.

Da, wo sie sich zu Hause fühlt, starke Bindungen und ein Gefühl von Sicherheit hat, bewegt sie sich gerne alleine. Bei allem anderen braucht sie eben noch etwas Unterstützung. Aber auch das wird nach und nach weniger werden. Und irgendwann werde ich mir diese Zeiten zurückwünschen.

Ich frage mich bereits dieses Jahr, was ich wohl nächstes Jahr machen werde, wenn mein Kind den ganzen Tag alleine auf dem Spielplatz und in der Umgebung mit den Nachbarskindern unterwegs sein wird.

Keine Sorge, ich werde die Zeit füllen können- dennoch habe ich mich in den letzten Jahren sehr daran gewöhnt, für mein Kind da zu sein. Deswegen genieße ich die Zeit gerade sehr und mache mir immer mal wieder bewusst, dass die Kindheit eine sehr kurze Zeit ist. In 4 Jahren ist die Hälfte ihrer Kindheit bereits zu Ende.

Worüber ich eigentlich schreiben wollte ist eine Beobachtung, die ich in letzter Zeit immer öfters gemacht habe.

Es gibt ja auch die Eltern, die ihr Kind in die Selbstständigkeit drängen, die mit drei Jahren bereits alleine in Sportkurse mussten und sich im Kindergarten morgens alleine verabschieden mussten.

 

Kinder, denen früh gesagt wird, dass sie die Probleme mit Gleichaltrigen aushalten und selber klären müssen.

Es sind genau die Kinder, die nun wie Kletten an ihren Müttern hängen, wenn sie beim Kindergeburtstag bleiben sollen.

Oder wenn sie alleine in den Turnunterricht sollen. Ich kenne unzählige 5-Jährige, die nach dem Turnunterricht mit Gummibärchen belohnt werden, wenn sie ohne „Zicken zu machen“ alleine dageblieben sind. Dass diese Kinder oft die ganze Stunde an meinem Bein hingen und nach ihrer Mama fragten interessiert nicht. Da müssen die lieben Kleinen eben durch.

Natürlich gibt es dafür viele Gründe und es ist auch „normal“, hin und wieder. Und dann gibt es sicher auch Kinder, die einfach länger brauchen um sich Dinge alleine zuzutrauen. Von denen spreche ich hier nicht. Ich spreche eigentlich von den Kindern, die von Anfang an auf Abstand gehalten wurden und von klein auf selbstständig sein mussten.

Oben habe ich bereits geschildert, dass es auch bei uns anhängliche Zeiten und Situationen gibt. Es gibt aber eben auch andere, also Situationen in denen der Drang nach Entdeckung größer ist als der Drang und die Suche nach Bindung.

 

Dieser Entdeckungsdrang kann aber eben nur durchkommen, wenn das Kind nicht selbst für die Stillung seiner Nähe-Bedürfnisse verantwortlich ist.

Ach ja, ein beliebter Satz ist auch noch, dass ich sie ja nicht vor allem schützen könne. Ja, mache ich auch gar nicht. Aber vor manchen Dingen müssen wir unsere unreifen Kinder eben schon schützen. Jedenfalls kann ich dazu nur sagen:

Ein Kind kann nur selbstständig werden, wenn es seinen Heimathafen als sicher erlebt!

Nur ein Kind, das abhängig sein durfte kann wirklich selbstständig werden.

Da hilft alles ziehen, zerren und zwingen nichts, rein gar nichts.

 

Wenn du über Trennung nachdenkst oder bereits getrennt bist und Kinder unter 7 Jahren hast, dann solltest du unbedingt dieses Video anschauen.



In dem Video erfährst du 3 wichtige Dinge:

  • Weshalb die 3 gängigen Umgangsmodelle Residenzmodell, Wechselmodell und Nestmodell nur als grobe Richtschnur dienen können.
  • Weshalb Kleinkinder und Vorschulkinder bei der Trennung der Eltern besondere Begleitung brauchen.
  • Weshalb der Satz „Die Kinder leiden am meisten“, unreflektierter Bull*it ist.

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