Warum ich als Alleinerziehende nicht mehr als 30 Stunden arbeite (n) (kann/will/sollte)…und es trotzdem jeden Tag tue.

Seit 9 Jahren arbeite ich in Teilzeit, 30 Stunden gegen Bezahlung in der Woche.

Den Rest des Tages (und manchmal in der Nacht) arbeite ich, ohne Geld dafür zu erhalten. 

Ja, ja, ich höre euch.

Mütter machen das ja gerne und das Lächeln und die Liebe unserer Kinder sollten uns als Lohn genügen (Spoiler: tut es nicht, auch wenn es manchmal oder sogar oft schön sein kann).

Meine Tochter ist von 8-14 Uhr in der Schule, bzw. betreut. Ich arbeite von 8-14 Uhr. Finde den Fehler.

 

Von Privilegien und so

 

Dass ich unsere kleine Familie mit 30 Stunden Arbeit gut finanzieren kann, ist ein Privileg, dessen ich mir sehr bewusst bin.

Dass es viele Jobs gibt, von denen man nicht mal mit 40 Stunden Arbeit gut leben kann, ist mir bewusst.

Dass viele von euch wesentlich härter arbeiten als ich, weiß ich auch. 

Ich bin sehr dankbar, dass ich meine Arbeit bereits hatte, bevor ich schwanger wurde. 

Wie schwer es für Alleinerziehende mit Kleinkind ist, eine Arbeit zu finden, von der sie leben können, bekomme ich in meinem Freundes- und Bekanntenkreis regelmäßig mit.

Und das macht mich so unglaublich wütend. 

Wenn ich dann Politiker höre, die in die Welt hinaus schreien, Alleinerziehende müssten mehr arbeiten, muss ich mich sehr zusammenreißen, um nicht zu explodieren.

 

Warum der Schrei nach Ganztagsbetreuung vieles nicht mitdenkt:

 

Ganztagsbetreuung ist nicht für jedes Kind

Ich erinnere mich an Übergaben in der Kita (U3) am Morgen, die mich schweißgebadet zurück ließen und nach denen ich eigentlich erstmal eine Stunde zum Runterkommen gebraucht hätte. Oder zwei oder drei.

Schon fix und fertig um 8 Uhr am Morgen.

Ich erinnere mich an Nachmittage (nachdem meine Tochter 6,5 Stunden in der Kita war), an denen ich 3 Stunden mit einem Kind im Ausnahmezustand zu tun hatte. 

Die emotionale Begleitung und die Energie, die ich darauf verwendet habe, wird nie gesehen.

Es ist einfach nicht so, dass Eltern ihr Kind zur Kita bringen, ihm freudestrahlend hinterherhinken und es am Nachmittag (nach getaner Arbeit) lächelnd wieder abholen.

Korrigiert mich bitte, wenn diese Zeit bei euch so reibungslos abgelaufen ist. 

Die Kita-Zeit war für uns super anstrengend und im Nachhinein würde ich vieles anders machen.

Wahrscheinlich würde ich, wenn ich es irgendwie finanziell gestemmt bekommen würde, länger in Elternzeit gehen und mir diesen Stress zumindest in den ersten 2 Lebensjahren ersparen.

Vielleicht würde ich auch mehr Ressourcen in die Suche nach einer liebevollen Betreuung stecken. Nur hatte ich diese Ressourcen damals nicht völlig übermüdet und kurz vor der Trennung. 

Ich war froh, dass mein Kind überhaupt einen Kita-Platz ergattert hat.

Wer wird denn da noch wählerisch sein wollen?!

 

Ein kleiner Hoffnungsschimmer?

 

Natürlich ist jedes Kind anders und vieles hängt von den Beziehungen in der Kita ab. Wenn dein Kind also gerne zur Kita geht und vieles reibungslos für euch abläuft, gratuliere! Echt! Das ist toll und erleichtert so vieles.

Die Kita-Zeit kann eine tolle Zeit sein mit liebevollen Menschen und dem Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Kann.

Viele Eltern erleben es aber leider anders.

Mal von Kita-Schließungen, Krankheit der Lieblingserzieher*in und Ähnlichem abgesehen.

Nicht jedes Kind kann eine lange Betreuung gut händeln.

Dies bedeutet oft einen enormen Kraftakt für die alleinerziehende Mutter, die ihr Kind nach der vielleicht zu langen (oder schlechten) Betreuung wieder abholt.

Die Nachmittage nach der Kita haben mich tagtäglich verzweifeln lassen und mich abends mit dem Kind fix und fertig ins Bett fallen lassen.

 

 

Eine gute Ganztagsbetreuung – bis wann bekommen wir das hin?

All das Gerede über Ganztagsbetreuung bringt den Eltern von heute wahrscheinlich nichts mehr. Was ist also mit denen, die JETZT eine Betreuung brauchen?

Bis wir flächendeckend Betreuungsangebote haben, die Kinder gut tun und Eltern Raum für noch mehr Erwerbsarbeit geben, sind unsere Kinder wahrscheinlich aus dem Gröbsten raus. Was ich mir in der Zwischenzeit von den Entscheider*innen unseres Landes wünsche, kommt weiter unten.

 

 

Was ist mit älteren Kindern? Die profitieren doch ganz bestimmt von langen Betreuungszeiten!?

 

Seit meine Tochter zur Grundschule geht, merke ich, dass ich eigentlich um 12 Uhr mit Arbeiten Schluss machen müsste, wenn ich sie optimal unterstützen wollen würde.

Ich würde das natürlich gerne tun, geht aber nicht.

Außerdem finde ich, dass die Grundschule so gestaltet sein sollte, dass Kinder diese ohne viel Unterstützung hinbekommen. Aber das ist ein anderes Thema.

So werden bei uns Hausaufgaben oft eher schlecht als recht gemacht. Manchmal sag ich ihr die Ergebnisse, weil einfach weder Zeit noch Energie übrig ist. 

Essen bereite ich zwischen Tür und Angel vor, auch eher schlecht als recht.

Von Kindern, die sich von 8-12 oder 13 Uhr zusammengerissen und danach noch in der Betreuung waren, in der sie ebenfalls viele Regeln befolgen mussten, zu erwarten, dass sie problemlos ihre Hausaufgaben machen, ist oft nicht realistisch.

Hier ist sowas von die Luft raus um 14 Uhr. Mein sehr bewegungsintensives Kind kann am Nachmittag nicht noch Hausaufgaben machen. (Mal ganz davon abgesehen, dass in dem Alter nach wie vor die Zeit für freies Spiel von großer Wichtigkeit ist.)

Ich, die den ganzen Vormittag gearbeitet hat und endlich mal abschalten möchte, hat dann auch keine Nerven mehr für Hausaufgaben oder Lernen für den nächsten Test.

Insofern liebäugle ich mit der Realschule im Nachbarort, obwohl mein Kind mit mehr Einsatz meinerseits auch das Gymnasium schaffen würde.

 

Ist es eigentlich gewollt, dass Eltern sich fragen müssen, ob sie die nötigen Ressourcen haben, um ihr Kind in der Schule zu unterstützen?

In meiner Kindheit war das anders. Aber auch das ist ein anderes Thema. 

Aber hey, aus mir ist etwas geworden.

 

Apropos

 

Ich habe ein Kind, keine zwei, drei oder vier. Wirklich “nur” eins. Und ich bin gesund. 

Sehr gesund, zumindest die meiste Zeit. Von den Verspannungen und der regelmäßigen Migräne, die der fehlenden Bewegung und dem Stress geschuldet sind, mal abgesehen.

Meine Lage ist also eigentlich ganz einfach und trotzdem sind 30 Stunden Erwerbsarbeit für mich mehr als genug.

Frau bekommt das hin. Allerdings laufe ich seit Jahren durch die Gegend, immer mit dem Gefühl, keine Zeit zu haben. 

Immer den Hinterkopf voller Ideen, die nie umgesetzt werden. (Was ich bewegen könnte, wenn ich dürfte, ich darf gar nicht daran denken). Mein ständiger Begleiter das schlechte Gewissen, weil ich vieles nur halb mache und anderes gar nicht. 

Weil die Liste mit der Überschrift “Was solls” immer länger wird und die Löcher in den Hosen meines Kindes immer größer werden. Von alleine stopfen diese sich nicht.

Das Leben als Alleinerziehende Mutter bedeutet ständiges Priorisieren, Wegstreichen und Abwägen. 

 

Jede Entscheidung für etwas ist eine Entscheidung gegen etwas. Meistens gegen mich selbst und meine Bedürfnisse.

 

Kümmere ich mich jetzt um das verstopfte Rohr in der Dusche oder um das Abendessen? Treffe ich mich in meiner freien Stunde mit einer Freundin oder fange ich endlich mit der Steuererklärung an? Gehe ich jetzt schlafen oder erledige ich noch den Berg Geschirr?

Ja, überhaupt. Was ist eigentlich mit dem Haushalt, wenn ich mehr als 30 Stunden arbeite und mich danach um mein Kind kümmere? Mache ich den dann, wenn mein Kind schläft und verzichte nun jeden Tag auf meine Stunde Me-Time am Abend? (Wobei die mich auch nicht mehr rettet- was soll´s also)

Zeit, das kostbarste Gut

Eigentlich sollten wir alle wissen, dass Zeit wichtiger ist als alles andere. Seitdem ich Alleinerziehende bin, spüre ich diese Tatsache tagtäglich und ganz intensiv. Weil einfach immer die Zeit fehlt.

Also, Herr Lindner, ich bekomme das alles gut hin. Aber ist es das, was wir unseren Kindern vorleben wollen? Das Leben hinbekommen? Das Leben schaffen?

Letztens habe ich entsetzt herausgerufen: “Stopp, hör mir auf mit Stressmanagement!“ 

Ich will mein Leben nicht schaffen, ich will es leben!” 

Habe ich mit der Trennung das Recht auf Leben leben vertan?

 

Was bleibt bei dem Ganzen NICHT-ARBEITEN auf der Strecke?

  • Meine Gesundheit auf Dauer
  • Mein Schlaf
  • Die Hausaufgaben und das Üben für die Tests und Arbeiten
  • Freie Zeit
  • Regeneration
  • Freundschaften
  • Partnerschaft
  • Die Zehennägel und die Frisur 🙂 klingt lustig, ist es aber nicht
  • und noch so vieles mehr

 

Respekt für alle Alleinerziehenden, keine Lügen

Seitdem ich diesen Blog betreibe und auf Instagram aktiv bin, ist mir keine einzige alleinerziehende Mama begegnet, der das Wohl ihres Kindes nicht am allerwichtigsten war.

Die alleinerziehenden Mamas, die mir begegnen legen großen Wert auf eine liebevolle Begleitung ihrer Kinder und wünschen sich nichts mehr, als sie gestärkt ins Leben zu entlassen.

Sie geben jeden Tag alles und leisten eigentlich nicht Leistbares.

Es ist ungerecht und unfair, was in den letzten Tagen über Alleinerziehende zu hören und zu lesen war. 

Ich habe keine Zeit, Quellen und Beispiele herauszusuchen. Einfach googlen: Christian Lindner, Unterhalt, Unterhaltsvorschuss, Arbeitsanreize für Alleinerziehende.

Wenn ihr Fakten zur aktuellen Debatte braucht, schaut bei “Solomütter” vorbei oder bei den verschiedenen Alleinerziehenden-Verbänden.

Meine Ressourcen sind mit diesem Artikel aufgebraucht.

 

Was ich mir wünsche, wir aber mit der FDP vergessen können:

  • Faire Steuern für Alleinerziehende.
  • Unterhalt als Bringschuld und nicht als etwas, das die Mutter einklagen muss.
  • Echter Gewaltschutz.
  • Familientickets, die Alleinerziehende nicht ausschließen.
  • Bewusstsein für die Leistung Alleinerziehender und daraus resultierend Unterstützung.
  • Dass jedes Kind in diesem Land gutes und genug zu Essen für selbstverständlich hält. Kleidung wählen kann, die ihm gefällt, Schulutensilien, die es nicht ausgrenzen. Dass Kinder echte Teilhabe erleben und deren Eltern nicht erst viele Anträge ausfüllen müssen, um Dinge zu ermöglichen, die für andere normal sind. 
  • Dass Alleinerziehende, die in Teilzeit arbeiten auf eine bestimmte Zeit wie Vollzeit bezahlt werden.
  • Dass ich ein Sparkonto für mein Kind eröffnen kann, ohne dass der andere Elternteil zustimmen muss und ohne dass dieser Zugriff hat.
  • Dass ich wichtige Arzttermine mit meiner Tochter wahrnehmen kann, ohne Unterschriften, die allzu gerne als Machtmittel eingesetzt werden, erbetteln muss.
  • Dass ein Elternteil, der keinen regelmäßigen Kontakt zum Kind pflegt, KEIN Mitbestimmungsrecht bei Schulentscheidungen u.ä. hat.

 

Für meine Tochter wünsche ich mir:

(Es sind noch 8-15 Jahre Zeit!)

  • Dass sie die Lebensform wählen kann, die sie möchte, ohne dadurch Nachteile zu erfahren oder Vorurteilen zu begegnen.
  • Dass es für Frauen in Deutschland sicher ist, sich zu trennen.
  • Dass das Beenden einer ungesunden Beziehung, die niemandem guttut, gefeiert und nicht verurteilt wird.

Und noch so ein Gedanke zum Schluss: Wann fingen wir eigentlich an, Leistung mit Zeit gleichzusetzen? Wer sagt, dass Menschen, die 30 Stunden bezahlt werden wirklich weniger leisten als Menschen, die 40 Stunden bezahlt werden?

 

Und übrigens: Warum schreibe ich, obwohl ich ja eigentlich keine Zeit habe?

Weil ich, selbst wenn ich nicht arbeite, meistens zu Hause bin, da jemand da sein muss, wenn das Kind was braucht. Das bin ich, weil ich hier die einzige Erwachsene bin.

Ja, könnte ich sicher irgendwie anders organisieren, aber auch das kostet Kraft, Ressourcen und Energie. 

Also schreibe ich und das ist auch gut für meine emotionale Gesundheit. also bitte keine Hinweise, wie: Wenn du wirklich so viel zu tun hättest, würdest du nicht solche Artikel schreiben können. Denn was ich dafür gerade liegen lasse, willst du gar nicht wissen.

So, fertig…

 

Lasst uns Alleinerziehende lauter sein. Lasst uns zusammenhalten und gemeinsam anpacken.

Wenn du dein Leben als Alleinerziehende leichter gestalten möchtest, dann ist mein PDF „Leichter Leben als Alleinerziehende„, das du dir durch Eintragen deiner Emailadresse, sichern kannst, ein guter Anfang. Manchmal reichen ein paar wenige Impulse um erste Schritte in eine bessere Zukunft zu machen. Das PDF hilft dir dabei:

  • Stark und selbstbewusst mit eurer Familiensituation umzugehen.
  • Dich zu sortieren und klarer zu sehen.
  • Verstehen, was dein Kind nach der Trennung der Eltern braucht.
  • Zu spüren, was du brauchst und deinen eigenen Bedürfnissen wieder mehr Beachtung schenken.

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