Alleinerziehend und erschöpft?

Alleinerziehend und erschöpft? …? Wer hier schon eine Weile mitliest, weiß, dass ich seit über 4 Jahren alleinerziehend bin.

Alleinerziehend sein entspricht so gar nicht dem Ideal von Familienleben. Kleinfamilie aber auch nicht, nur mal so am Rande. Und so sind wir in sozialen Strukturen gelandet, in denen wir uns erst zurechtfinden müssen und schauen müssen, wie es uns allen am besten damit geht.

Diese Strukturen kann ein alleinerziehender Elternteil genauso schaffen wie Eltern in anderen Familienkonstellationen.

Ganz ehrlich: Es nervt mich ungemein, dass ich mitleidig und fragend angeschaut werde, wenn ich sage, dass ich alleine für meine Tochter verantwortlich bin. (im ersten Jahr habe ich das übrigens gar niemandem erzählt – nur weil ich einfach keine „Meinung“ hören wollte).

Ja, ich habe mir das mal anders gewünscht. Haben wir nicht alle dieses vollkommene Familienbild im Sinn, wenn wir den Schritt wagen und an Kinder denken? Nicht alle, vielleicht.

Aber ein Großteil der Menschen, die sich auf das Abenteuer Nachwuchs einlassen, planen dies doch gemeinsam zu tun.

 

 

Trotzdem: Alleinerziehend sein heißt nicht automatisch: „Alleinerziehend und erschöpft, arm dran, überfordert, einsam, übrig geblieben, gestresst, keine Zeit für die Kinder.“

Mir ist nicht ganz klar, was Menschen sich vorstellen, wenn sie hören, dass ein Elternteil alleinerziehend ist. Ich kenne viele Eltern, für die es eine große Erleichterung war, eine verfahrene Beziehung hinter sich zu lassen und neu zu starten.

Ich bin immer dafür, dass sich Paare gemeinsam in Beziehungen weiterentwickeln. Dennoch ist es doch auch wichtig, genau hinzuschauen. Denn Hauptsache zusammen ist sicher nicht immer der richtige Weg. Aber darum soll es hier gar nicht gehen.

 

Mir geht es darum, einmal festzuhalten, dass Alleinerziehend sein nicht immer gleich schwierig sein muss.

Ja, der Anfang ist sicher immer eine große Herausforderung. Im Archiv findest du auch den ein oder anderen Artikel, in dem diese Anfangsschwierigkeiten zu lesen sind.  Aber auch als Alleinerziehende ist es möglich, sich die Strukturen zu schaffen, die die kleine Familie benötigt. Alleinerziehend und erschöpft muss nicht für immer so sein.

Denn klar ist: Alleine schafft es kaum jemand, Kinder gelassen zu begleiten. Das ist auch nicht das, was Kinder brauchen.

Schließlich sollen Freude und Leichtigkeit unseren Alltag begleiten. Ich weiß, dass es da Ausgangssituationen gibt die wesentlich schwieriger sind als andere.

Und da wünsche ich mir viel mehr Unterstützung und Verständnis für diese Eltern. Auch finanzielle Unterstützung. Denn wenn ich mir anschaue, wie schlecht manche Berufe („typische“ Frauenberufe) bezahlt werden, kann ich nur erahnen, wie schwierig es ist, alles alleine zu schaffen.

Aber ich wünsche mir auch, dass nicht gleich davon ausgegangen wird, dass Alleinerziehende unglücklich, unzufrieden und überfordert sind.

Ich kenne viele starke Alleinerziehende, die ihren Alltag lieben. Sie haben es sich nicht ausgesucht, alles allein stemmen zu müssen, aber sie machen das Beste daraus. Im tiefen Vertrauen, dass schon alles wird.

Als blanken Hohn empfinde ich es, wenn mir überdurchschnittlich gestresste Mütter (sorry, meist sind es die Mütter) mit einem intakten Familiennetz im Vorbeigehen zurufen: „Ach, wie du das nur schaffst.“ Dabei sehen sie nicht, was sie alles tun könnten, um den Alltag zu entschleunigen. Denn eines ist klar. Seitdem ich alleinerziehend bin habe ich vieles lernen dürfen:

Nein sagen
Grenzen ziehen
Selbstfürsorge
5 gerade sein zu lassen
Mich auf das Wesentliche fokussieren, hinterfragen
Resilienz – Dinge annehmen, die ich nicht ändern kann

Das sind alles Dinge, mit denen viele Mütter zu kämpfen haben, die mir begegnen.

Eine Lebenssituation sagt überhaupt nichts darüber aus, wie es einem Menschen geht.

Die alleinerziehende Mama oder der alleinerziehende Papa ist nicht automatisch unzufrieden und die Mama, die alles zu haben scheint ist nicht automatisch zufrieden. Häufig hat die eine Dinge, die die andere sich wünscht und umgekehrt.
Manchmal müssen wir Situationen erstmal so annehmen, wie sie eben sind und uns darüber klarwerden was wir eigentlich anstreben.

Alleinerziehend sein ist nicht einfach. Klar. Aber es muss nicht unwiderruflich dazu führen, dass es uns nicht gut geht.

Dies hier ist kein Hoch auf das Alleinerziehend sein. Manchmal ist es wie es ist und wir müssen das Beste für uns alle daraus machen.

 

 

Wenn dir das nächste Mal jemand erzählt, dass er alleinerziehend ist, begegne ihm oder ihr nicht gleich mit einer Bewertung oder einer vorgefertigten Meinung. Frage doch einfach: „Wie geht es dir? Was beschäftigt dich zur Zeit?“

PS: Ich möchte hier nicht herunterspielen, mit was viele Alleinerziehenden sich jeden Tag herumschlagen müssen.

Da kann der Kampf mit dem Ex sein, der weitergeht oder die Hilflosigkeit, wenn das Kind mit der Trennung nicht klarkommt. Auch alleinerziehende Eltern werden einmal krank (Ein Kleinkind mit einem Migräneanfall zu betreuen, ist ein echter Kraftakt) oder sie sind halt einfach auch mal sehr, sehr müde.

Hinzu kommen finanzielle Sorgen. Einsamkeit, weil sie von zu Hause selten wegkommen. Das Gefühl, unvollständig zu sein, gerade wenn Familie nur als „Mama, Papa, Kind, Kind, Kind…“ definiert wird.

Schwierig, diese Gratwanderung hinzubekommen. Einerseits will ich nicht herunterspielen, was es bedeutet, alles „alleine“ schaffen zu müssen und andererseits will ich klarmachen, dass wir nicht automatisch Opfer dieser Situation sein müssen.

 

Vielleicht möchte ich dazu animieren, diese Situation als Startpunkt für etwas Neues anzunehmen.

Ja wahrscheinlich will ich das. Und: Liebe Alleinerziehenden, das Leben wäre so viel einfacher wenn wir uns gegenseitig mehr unterstützen werden.