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“Ich dreh gleich durch!” Tagebuch eines ADHS-Kindes und seiner genervten Leidensgenossen  *Buch – Rezension*

***Werbung, Rezensionsexemplar

Der Titel “Ich dreh gleich durch!” * hat mich direkt angesprochen, auch wenn in unserer Familie zur Zeit keine ADHS-Diagnose vorliegt.

Trotz fehlender Diagnosen konnte ich meinen Alltag auf so ziemlich jeder Seite wiederfinden. Der Satz “Ich dreh gleich durch” schießt ungefähr fünfhundert zweiundzwanzig Mal am Tag durch meinen Kopf.

Teilweise fand ich es langwierig, die Abschnitte zu lesen, in denen es um die Vorkommnisse im Alltag eines ADHS Kindes geht.

Deswegen heißt das Buch aber eben auch “Tagebuch”.

Obwohl mir manche Passagen zu lang und zu ausführlich waren, ist es toll, dass die Herausforderungen und Geschehnisse von unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. 

An manchen Stellen musste ich auch schmunzeln, bei so viel Pech, das Max gepachtet zu haben scheint.

Und so viel Verzweiflung seines Umfeldes, und den damit verbunden Gedanken, die mir nur zu bekannt vorkommen.

 

ADHS aus verschiedenen Perspektiven

 

Max selbst kommt oft zu Wort und versucht zu erklären, was ihn zu den unterschiedlichen Verhaltensweisen bewegt und wie es in seinem Kopf aussieht. Dabei kommt zum Vorschein, dass immer eine gute Absicht hinter seinem Tun steckt, er allzu oft aber die Kontrolle verliert.

Auch die Mutter, die in dem Buch zu Wort kommt, hat früh gemerkt, dass ihr Sohn nichts dafür kann, wenn er mal wieder für Chaos sorgt. Sie ist sehr bemüht und versorgt die Leser mit Ausschnitten aus Fachbüchern zu ADHS. Meine Lieblingspassagen im Buch.

Der Vater bringt, mit etwas Sensibilisierung durch die Mutter und entsprechender Fachliteratur, nach und nach mehr Verständnis für seinen Sohn auf.

Dem Geschwisterkind wird ebenfalls Raum eingeräumt. Geschwister haben es sicher mit ihren Brüdern und Schwestern mit ADHS nicht immer leicht.

Da fällt mir auch noch ein, dass ich nichts dagegen gehabt hätte, wenn ein Mädchen als Protagonistin gewählt worden wäre. Da diese nach wie vor weniger auffallen und seltener diagnostiziert werden. Da die Autorin jedoch einen Sohn mit ADHS hat, geht es im Buch um einen Jungen, logisch:-)

Vielleicht in einem anderen Buch dann.

Die Tante und der Opa, die wenig Verständnis für Max und sein Verhalten haben, machen deutlich, wie schwer es für Familien mit ADHS-Kindern sein kann. Denn sie bekommen häufig ungebetene Ratschläge und das Verhalten auf fehlende Erziehungsmaßnahmen geschoben wird.

Sich hier klar abzugrenzen und dem Kind die Begleitung zu bieten, die es braucht, scheint nicht immer leicht. 

Ich könnte mir vorstellen, dass ein Kind im gleichen Alter, das das Buch liest, sich gesehen fühlt und vielleicht auch ein wenig Trost in den Zeilen findet.

 

So bietet das Buch für die gesamte Familie etwas.

 

Ich drücke es der nächsten Person in die Hand, die mir rät: „Also, bei mir würde es das nicht geben!“ “Das musst du deinem Kind klarmachen!“ „Das geht nicht!” Meine Antwort bisher: „Ja, mach ihr das mal klar!“ „Fühl dich frei und mach das mal klar!” “Viel Spaß:-)”

Als hätten Eltern nicht meistens sowieso schon ALLES versucht!

Das Buch “Ich dreh gleich durch!” kann Familien das Gefühl geben, mit den bestehenden Problemen nicht alleine zu sein. Es kann gut tun zu lesen, dass man nicht die einzige Familie ist, bei der nicht alles rund läuft.

Durch das Lesen bekommt man mehr Verständnis für betroffene Kinder, aber auch für sich selbst und für Lehrer*innen und das restliche Umfeld.

Denn es wird ganz deutlich: Ein Kind mit ADHS zu begleiten ist nervenaufreibend, anstrengend und erfordert sehr viel Geduld, gute Nerven und Kraft.

Was mir besonders gut gefällt, sind die Ausschnitte aus Fachbüchern, die immer wieder im Buch auftauchen, meist von der Mutter recherchiert.

Dadurch bekommt das Buch etwas mehr den Charakter eines Fachbuchs. Wobei diese Abschnitte für meinen Geschmack zu selten sind und zu kurz geraten sind.

Die Mischung von Tagebuch und Sachbuch ist nicht immer gut gelungen.

 

Auch das Aufzeigen der positiven Eigenschaften von ADHS Kindern gefällt mir gut:

 

-Empathiefähigkeit, Fürsorglichkeit, sehr ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und das Einsetzen für Gerechtigkeit, reaktionsschnell in Notfallsituationen.

Das sind natürlich nur einige der Stärken von Kindern mit ADHS.

Eine Sache, die mir in dem Buch nicht gefällt, ist der Umgang mit dem Thema Strafen. Ich verstehe schon, dass Kinder mit ADHS eine andere Begleitung brauchen als Kinder ohne ADHS.

Dennoch zweifle ich sehr an der positiven Wirkung von Strafen und sehe sie eher als Verzweiflungstat (nachvollziehbare) der Eltern.

Strafen (oder manchmal auch als “Konsequenzen” nett umschrieben) schädigen die Beziehung und das Kind gleich mit.

So stellt die Mutter im Buch auf Seite 226 auch selbst fest:

“Egal, was man macht, wie man es angeht, welche Methoden man einsetzt, es scheint nahezu sinnlos zu sein.”

 

Der Satz “Konsequent bedeutet nicht brutal, nicht autoritär, sondern liebevoll stur.” (S.270) holt mich schon eher ab.

Wobei ich mich frage, was das Verbot von Mediennutzung, das im Buch als Konsequenz genannt wird, mit liebevoll stur zu tun hat. 

Du siehst schon, ich habe ein Problem mit Strafen und wähle sie auch nicht für den für meine Familie richtigen Weg.

Mal ganz davon abgesehen, dass meine Tochter nie und nimmer irgendeine Strafe annehmen oder akzeptieren würde:-) Vergeblich. Zum Glück.

Die vielen Gespräche zwischen der Mutter und ihrem Sohn und das Nachhaken und Nachfragen, was Max dazu bewegt hat, dies oder jenes zu tun, macht deutlich, wie sehr die Eltern auf die Beziehung bauen und wie bemüht sie sind, ihn zu verstehen.

Mir kam beim Lesen immer mal wieder der Gedanke, wie herausfordernd ein Kind mit ADHS in schwierigen Familienkonstellationen sein muss.

 

Für Alleinerziehende muss es doppelt schwer sein, ein Kind mit ADHS zu begleiten.

 

Wenn es dann noch Geschwisterkinder gibt, ist die Überforderung ganz sicher irgendwann da.

Deswegen ist es wichtig, dass sich Alleinerziehende früh Unterstützung holen und nicht allzu lange zögern, ärztlichen Rat einzuholen.

Wenn du dir unsicher bist, ob bei deinem Kind alles noch im Rahmen entwicklungsbedingter Unreife/Reife ist oder nicht, einfach abchecken lassen.

“Einfach” ist leicht gesagt. Die Wartezeiten bei Kinder-und Jugendpsychiater*innen sind lang. Deswegen sollten Eltern sich lieber frühzeitig um einen Termin bemühen.

Das Buch kann dir auf jeden Fall helfen, abzuschätzen, ob du ein Kind mit ADHS hast oder nicht.

Aber schon alleine, dass du diesen Artikel liest, zeigt, dass du dir darüber Gedanken machst. Außerdem hilft es dir, zu verstehen, was dein Kind bewegt und auch milder mit dir zu sein.

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