Puh, das hat nicht lange gedauert. Mein Kind will nicht zur Schule gehen. Es ist ja allgemeinen bekannt, dass Grundschüler anfangs noch begeistert zur Schule laufen, um dann ein paar Monate oder Jahre später Schule einfach nur noch blöd und nervig zu finden.

Die Methoden unserer Vertretungslehrerin haben es in nicht mal zwei Tagen geschafft, dass mein fröhliches, neugieriges, lernhungriges Kind sich unter der Decke verkriecht und vehement erklärt : „Ich will nicht in die Schule!“

Na toll. Dabei haben wir uns gerade noch über unsere tolle Lehrerin gefreut, zu der meine Tochter so gerne in den Unterricht ging.

Leider fehlte sie nun für eine Woche und in der Woche hat sich so vieles verändert. Die Hausaufgaben wurden nur mit Murren gemacht, die Brotdose, die zuvor immer komplett geplündert war, blieb randvoll. Getrunken wurde auch nichts mehr in der Schule und die Angst vor Bestrafung hing in der Luft.

Ich mag hier übertreiben. Andere Kinder empfinden das wahrscheinlich ganz anders.

Meine Tochter jedoch spürt eben auch die Zwischentöne und nimmt Dinge ernst und sich zu Herzen. Diese Feinfühligkeit lässt sich nicht einfach abstellen.

Es gibt da keinen Knopf, den ich drücken könnte, und alles ist vergessen.

Gestern kam meine Kleine also nach der Schule nach Hause gelaufen, kletterte über den Balkon in unsere Wohnung, ging mit den Worten „ich hab heute zwei Striche bekommen!“ und „ich geh nie wieder in die Schule!“ an mir vorbei.

Sie warf den Ranzen hin, ging in ihr Zimmer und machte sich ein Hörspiel an.

Ich schluckte erstmal. Meine Tochter kennt weder Belohnungen, noch Bestrafungen. 1,2,3, Zählerei schon mal gar nicht. Und Striche, was sollen diese blöden Striche, außer ein Kind zu beschämen.

 

Fällt denn Lehrkräften nichts besseres ein?

 

Mit den Sternchen und Tierchen zur Belohnung konnte ich mich noch arrangieren. Auch wenn ich nach wie vor der Meinung bin, dass diese den Kindern, für diese solche System eingeführt werden, mehr schaden als nützen. Und die, die eigentlich gerne aufpassen und mitmachen dies dann nicht mehr aus eigener Lernmotivation, sondern vor allem für die Belohnungen tun.

Aber ok, ich bin keine Lehrerin und es steht mir wohl auch nicht zu, Methoden zu kritisieren.

Ich wüsste nicht, ob ich eine Klasse von über 20 Kindern dazu bewegen könnte, mir zuzuhören.

 

Nun wurde meine Kleine heute morgen also schon um fünf Uhr wach weil sie sich Sorgen machte.

 

Es mag Kinder geben, an denen in der ersten Klasse bereits alles abprallt. Es gibt aber eben auch andere, zum Glück!

Liebe Vertretungslehrerin, können Sie auch nur ansatzweise erahnen, was sie mit diesen beiden Strichen angerichtet haben?

Ich habe hier ein Kind, das leidet. WEGEN ZWEI BLÖDEN STRICHEN!

Wie kann ich jetzt noch eine Beziehung zwischen ihr und meiner Kleinen unterstützen oder überhaupt erst herstellen. Wie soll ich meiner Kleinen klarmachen, dass diese Striche total blöd und unwichtig sind, die Lehrerin aber natürlich nicht.

Denn von gemeinen Lehrern lernen Kinder nichts. Sie muss sie mögen, um von ihr lernen zu können.

Ich stelle mir gerade das Gefühl vor, mit dem mein Kind in die Klasse kommt und an der Tafel nach wie vor diese zwei lächerlichen Striche zu sehen sind. Dieses Gefühl von Scham kann bei Kindern so vieles kaputtmachen.

Gestern habe ich natürlich alles Mögliche angestellt, um ihr klarzumachen, dass das System Schule seine Fehler hat und dass einiges nicht in Ordnung ist. Es ist aber eben so und wir müssen damit irgendwie klarkommen. Bis jetzt hatten wir ja auch Glück, ein paar Wochen zumindest.

Der Witz ist ja: Sie weiß gar nicht, wofür sie diese Striche bekommen hat. „Mama, da kam irgendwas aus meinem Mund, was ich gar nicht wollte. Ich glaub ich hab „iiiiiiiiii“ zu meinem Mitschüler gesagt.“ Na, damit lässt sich nicht wirklich etwas anfangen. Ich habe meiner Tochter angeboten, ihr etwas in die Postmappe zu legen und nachzufragen. Aber das wollte sie nicht. Dank Corona sind Gespräche ja gerade kaum möglich.

Nach langem hin und her ist sie nun also losgezogen zur Schule. Sie hat sich fest vorgenommen, abzuhauen, sollte die Lehrerin mit ihr schimpfen oder sie sonst irgendwie verletzen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob meine Erklärungen, wieso dies nicht tun solle, wirklich bei ihr ankamen.

Ich traue mich also eher nicht, einkaufen zu gehen. Es könnte durchaus sein, dass sie demnächst vor der Tür steht.

Wie absurd ist das eigentlich? Da schicke ich mein Kind irgendwohin, obwohl ich zu hundert Prozent hinter ihr stehe und diese Methoden überhaupt nicht gutheiße.

Vielleicht sollten wir zu Hause eine Strichliste für die Vertretungslehrerin einführen, aber dann wird gleich wieder von der Respektlosigkeit gegenüber Lehrpersonal gesprochen. Aber wo ist der Respekt für die Kinder?

Nein, irgendwie muss sie eine Verbindung zu dieser Lehrerin aufbauen.

Denn ich habe so eine leise Ahnung, dass diese Lehrerin noch öfters einspringen wird. Aber nun kenne ich sie gar nicht. Wie kann ich dann eine Beziehung zwischen den beiden unterstützen, wenn sie darauf offensichtlich keinen Wert legt?

Es ist eine schwierige Lage und ich hoffe einfach nur inständig, dass ihre eigentliche Lehrerin bald wieder da ist. Die hat sie sehr schnell ins Herz geschlossen und lernt richtig gerne bei ihr. Da gibt es einfach eine Beziehung, was ich bei der aktuellen Lehrperson komplett vermisse.

Aber wie soll das auch gehen, wenn eine neuer Mensch in eine Klasse kommt und einfach den Unterricht durchziehen muss, ohne sich groß vorzustellen oder sich gegenseitig kennenzulernen.

So wurde also aus meinem fröhlichen, wissbegierigen Kind eines, das nicht zur Schule gehen möchte, Bauchweh hat und wegläuft.

Liebe Lehrer, wenn ihr schon solche Methoden anwendet, dann erklärt doch bitte wenigstens die Regeln.

Wann und wieso gibt es Striche? Wann kommen diese wieder weg? Was gibt euch das Recht, solche Bloßstellungen zu verteilen und in welcher Weise kann es dem Kind oder der Klasse helfen?

Ihr merkt schon, ich bin sauer. Bestrafungen sind sowas von vorgestern.

Aber Bestrafungen, von denen das Kind noch nicht mal weiß, wieso und weshalb sind einfach nur ein Zeichen von großer Hilflosigkeit. Hilflosigkeit, die die Kinder ausbaden.

Schade…dabei fing es so gut an mit der Schule…

Puh – und jetzt hab ich den Fehler gemacht, nach dem Stichwort „Mein Kind will nicht zur Schule“ zu googlen.

Da stößt man dann auf Bachblütentherapien und ähnliches. Es ist nichts verkehrt mit den Kindern. Sie gehören nicht therapiert. Ich verstehe voll und ganz, dass mein Kind heute Morgen nicht nochmal zur Schule wollte! Es sind nicht die Kinder, die das Problem haben oder sind. Sie sind ganz normal und richtig. Wie bekomme ich es nun hin, dass mein Kind in der Schule klarkommt, ohne sich zu verbiegen und ihre Gefühle zu unterdrücken und ohne ihr Bauchgefühl für richtig und falsch zu verlieren?

Eine Gradwanderung…leider hab ich noch keine Antwort auf diese Fragen.

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