woran erkenne ich Schulreife

Kaum hat das neue Jahr begonnen warten auch schon wieder wichtige Entscheidungen um die Ecke. Für viele Eltern deren Kinder 2019 schulpflichtig werden steht die Frage im Raum: „Ist mein Kind schulreif?“

Bei uns muss die Entscheidung bis März getroffen worden sein.

Wenn Eltern nicht möchten, dass ihr Kind automatisch in das Vorschulprogramm des Kindergarten rutscht und von den „Mittleren“ zu den „Großen“ „befördert wird, sollten sie bereits vorher Stellung beziehen.

Oft haben die beteiligten Personen ganz unterschiedliche Meinungen dazu. Nicht selten sehen die Erzieher das Kind mit ganz anderen Augen als die Eltern oder der Kinderarzt.

Trotz allem auf seine eigene Wahrnehmung zu vertrauen und sich für das Wohl des Kindes einzusetzen ist nicht selbstverständlich.

Schließlich haben Erzieher:innen, Lehrer:innen, Kinderärzt:innen viel mehr Erfahrung. Sie sehen sehr viel mehr Kinder und können scheinbar besser vergleichen.

 

„Ja aber, da gibt es ja ganz andere Kandidaten, die eingeschult werden. Bei Ihnen sehen wir keinen Grund für eine Rückstellung.“

 

Solche Argumente wurden mir schon zugetragen. Diese zählen für mich nicht.

Kriterien für die Schulreife können doch nicht sein, wie reif andere Kinder sind. Es muss doch jedes Kind individuell betrachtet werden.

Schulreife kann doch nicht im Vergleich mit anderen entschieden werden. Meine Antwort auf derartige Aussagen ist ganz einfach:

„Na, dann sind die alle nicht schulreif und sollten noch ein Jahr spielen und reifen.“

Letzten Endes muss jede Situation genau betrachtet werden. Dieses Gerücht, von wegen „Muss-Kinder müssen!

Es gibt gar keine Rückstellungen mehr, auch keine Ausnahmen mehr!“ machen seit einiger Zeit die Runde.

Ich kann nur sagen, wenn ich als Mutter merke, dass mein Kind noch nicht so weit ist, dann muss ich mich für sein Bestes einsetzen und erstmal all die Gerüchte unbeachtet lassen.

Denn wenn es erst gar nicht mehr versucht wird, dann wird sicher automatisch davon ausgegangen, dass alle Kinder mit 6 Jahren schulreif sind.

Schwierig wird es, wenn ein Kind im Kindergarten ein ganz anderes Verhalten zeigt als zu Hause.

Da braucht es erst mal Überzeugungskraft. Denn wenn die Erzieher nicht am selben Strang ziehen wird es wahrscheinlich schwierig. Schließlich soll das Kind ja bei einer eventuellen Rückstellung weiterhin in den Kindergarten gehen und sich dort wohlfühlen.

 

Solltest du dich bei einer so wichtigen Frage wirklich darauf verlassen, was alle anderen sagen?

 

Wenn es nach allen anderen gegangen wäre, würde ich mir die Frage über die Schulreife nicht stellen.

Die Erzieher:innen sind erstmal aus allen Wolken gefallen, als ich letztes Jahr mitteilte, dass die Entscheidung für eine Rückstellung bereits feststeht.

All die „Warten Sie mal ab. Es kann sich in der Zeit noch soooo viel ändern konnten mich nicht überzeugen.“

Das einzige Argument, das ich immer wieder für eine Einschulung zu hören bekomme ist das der drohenden Langeweile. Aber daran glaube ich nicht. Wieso sollte sich ein Kind langweilen, wenn es freispielen darf und zu Hause so viel Anregung bekommt, wie es braucht?

 

Viele Menschen schauen oft auf die kognitiven Fähigkeiten.

 

Aber können diese wirklich als wichtigstes Kriterium herangezogen werden?

Und ja, dann wären viele Kinder sicher schulreif. Was sie allerdings nicht betrachten ist die emotionale Seite, oder unzulänglich.

Sie sehen, was da ist und nicht das, was fehlt. Sie sehen die Fassade, blicken aber selten dahinter.

Meine Kleine hält sich an die Regeln und kümmert sich um Kleinere, ist stets um Fairness bemüht. Sie kann viele Buchstaben und ist an allem interessiert, was ihr über den Weg läuft. Ein aufgewecktes, interessiertes, fixes Mädchen.

Das sollen jetzt die Kriterien für Schulreife sein?

 

Was sie nicht sehen, ist, dass sie fast niemals weint.

 

So viel Frustration im Leben eines kleinen Kindes und selten Tränen der Trauer. Das gibt mir zu denken. Die Ausbrüche, die dann regelmäßig beim Abholen geschehen, bekommen die Erzieher ebenfalls kaum noch mit.

Sie können sich auch gar nicht vorstellen, dass das selbe Kind zu Hause keine Sekunde stillsitzen kann, immer mehr als 3 Dinge gleichzeitig macht und vor lauter Rumgehampel am Tag 5 Mal vom Stuhl fällt.

Ein Kind, das den ganzen Nachmittag viel Bewegung an der frischen Luft braucht, um abends überhaupt zur Ruhe zu kommen.

Ein Kind, das so überflutet ist von den vielen Reizen, dass es erst mal etwas zum Abreagieren braucht.

Außerdem sehe ich ein Kind, das noch sehr verspielt ist. Dessen ganzes Denken im Spielmodus stattfindet. Etwas tun um später die Früchte zu ernten? Das kann sie noch gar nicht erfassen.

Mehr als eine Perspektive einnehmen? Davon sind wir noch ein ganzes Stück weit entfernt.

Außerdem versteckt sich meine Tochter nach wie vor hinter mir, wenn sie angesprochen wird. Ein „Danke“ beim Bäcker oder an der Wursttheke kommt ihr nach wie vor nicht über die Lippen.

Kurz:

Sie ist noch sehr scheu, was in dem Alter überhaupt nicht problematisch oder ungewöhnlich ist. Es ist aber eben problematisch, wenn Kinder sich in der Schule dann behaupten müssen.

Im Kindergarten wird meine Kleine als ein ausgeglichenes, ruhiges Kind wahrgenommen. Ruhiges Kind? Ich traute meinen Ohren nicht.

Niemand, der mein Kind kennt, hätte es jemals als ruhig bezeichnet. Noch nie konnte ich sie lange aus den Augen lassen ohne, dass sie einer ihrer ausgefallenen Ideen Raum zur Umsetzung gegeben hätte.

Für mich steht jedenfalls fest. Ein Jahr länger, um im geschützten Raum zu spielen und zu reifen wird ihr sicher nicht schaden. Es sprechen so viel mehr Punkte gegen eine Einschulung in diesem Jahr als dafür.

Da vertraue ich ganz einfach mal auf mein Gespür und darauf, dass Eltern eben doch oft wissen, was das Beste für ihr Kind ist.

Zum Glück ist unser Kindergarten wirklich super und die Erzieher:innen sehr am Wohl der Kinder interessiert.

Nach einem langen Gespräch wurden meine Bedenken gesehen und wir ziehen an einem Strang.

Unser Kinderarzt nach anfänglicher Skepsis ebenfalls. Aber auch, weil ich den Erziehern etwas die Sorge nehmen konnte. Ich sehe es nicht als die Aufgabe des Kindergartens, alle Bedürfnisse meines Kindes zu erfüllen.

Zum Glück gibt es ja noch Eltern und Familie, die für das Kind eine Rolle spielen und die eine eventuell aufkommende Langeweile auffangen können.

Nachtrag, 4 Jahre später:

Meine Tochter ist nun in der dritten Klasse und das ist genau richtig so. Ihre Freund:innen sind alle 6 bis 12 Monate jünger und das passt sehr gut. Die Gleichaltrigen wechseln nun bald auf die weiterführende Schule und das könnte ich mir im Fall meiner Tochter absolut nicht entspannt vorstellen.

Die Entscheidung, sie ein Jahr später einzustellen war genau richtig.

Sie liebt die Schule, geht voller Neugierde und Lernbereitschaft und genießt die viele freie Zeit am Nachmittag. Sehr zufrieden blicke ich auf meine frühe Entscheidung, die ich mir auch von niemand habe ausreden lassen. Diese hat uns einfach so viel Stress erspart.

 

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