2023 hat mich auf einen Tatsache gestupst, die ich nicht länger ignorieren sollte: Es gibt wenige Dinge, die nicht verhandelbar sind. Kraft gehört definitiv dazu.
Wenn wir Tag für Tag, Woche für Woche und Jahr für Jahr über unsere Kräfte gehen, wird sich das irgendwann rächen.
Als Eltern kennen wir Phasen, die uns an unsere Belastungsgrenze bringen. Das ist auch ok und in gewissem Rahmen normal.
Phasen heißen Phasen, weil sie eben zu Ende gehen.
Was aber, wenn diese Phasen sich als schier unendlich herausstellen?
Wenn es eben doch keine Frage der Entwicklung war, sondern andere Themen unter den Herausforderungen vor sich hin brodeln?
Dann braucht es Wege. Dann braucht es Unterstützung. Und vielleicht ein bisschen Klarheit. Wenn Dinge bei uns immer anstrengender sind als bei anderen, dann ist es vielleicht nicht nur eine Phase.
Dann haben wir vielleicht besondere Herausforderungen in unserer Familie und brauchen Unterstützung und einen anderen Blick auf Situationen. Es ist frustrierend, wenn all die „ach so tollen Tipps“ in der eigenen Familie einfach nicht funktionieren.
Wenn du die Vermutung hast, dass du oder andere Familienmitglieder neurodivergent sind, vielleicht ADHS ein Thema sein könnte, dann gehe den Schritt und lass das abklären.
Man spricht von Neurodivergenz, wenn bestimmte Gehirnfunktionen eines Menschen so deutlich anders arbeiten, dass es innerhalb der Gesellschaft nicht mehr als “normal” oder “typisch” betrachtet wird. Dazu gehören Menschen, deren Körper Informationen anders wahrnimmt und verarbeitet, weshalb sich Neurodiversität auch als Oberbegriff für Autismus, ADHS oder Legasthenie etabliert hat. (Quelle:Neurodiversität bei Kindern: Bedeutung, Beispiele & Diagnose (familienservice.de))
Lange habe ich mit mir gerungen und ich würde es nach wie vor so tun.
Denn in den ersten 5-7 Lebensjahren sollten wichtige Entwicklungsschritte stattfinden und ich wollte keine Diagnose, bevor ich mir nicht sicher war, dass nicht die bevorstehende Reife die Lösung der Symptome sein würde.
Im Rückblick hätte für unsere Situation eine frühere Diagnose nicht wirklich etwas verändert. Denn im Grunde wusste ich die ganze Zeit, dass mehr als nur eine Phase dahintersteckt.
Das ist aber unser Weg. Euer Weg kann ein ganz anderer sein!
Die Mutter-Kind-Kur in diesem Jahr war dann der ausschlaggebende Faktor. So viele Familien auf engem Raum und die erneute Realisation, dass es in unserer Familie besondere Herausforderungen gibt.
“Sie haben die letzten 10 Jahre so viel kompensiert. Mittlerweile fallen diese Herausforderungen auf verbrannte Erde. Ist doch klar, dass sie nicht immer entspannt und gut reagieren können.“
Der Satz der in der Kur betreuenden Sozialpädagogin ist der EINE Satz aus dem Jahr 2023, der in meinem Kopf haften bleibt.
Nur, während wir so rotieren und alles am Laufen halten, fällt es uns schwer, die notwendige Unterstützung zu suchen und dann auch noch zu finden.
Die Schlangen sind lang und die Absagen zahlreich. Tatsächlich habe ich das Gefühl erlangt, dass ein präventives Handeln überhaupt nicht möglich ist.
“Kommen Sie wieder, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist”, war eine der Antworten, die ich erhalten habe.
Danach bin ich losgezogen und habe mir Hilfe gesucht. Vielleicht ermutigt dich dieser Artikel dazu, selbst Unterstützung anzufordern.
Hier ein paar Angebote, die ich beansprucht habe:
Mein Arbeitgeber bietet den Mitarbeitenden die Hilfe eines externen Dienstleisters an, der mit uns Gedanken sortiert und nach möglichen Lösungen sucht. (Absolutes Privileg, das ich jedoch immer scheute, in Anspruch zu nehmen). Dieser Dienstleister sucht auch Adressen/Anlaufstellen heraus und stellt sie uns zur Verfügung. Gerade in Situationen der Überforderung ist eine solche Hilfe Gold wert.
Allein die Gespräche halfen mir, klarer zu sehen und den ein oder anderen Telefonanruf zu tätigen.
Die Familienberatung der Caritas hatte innerhalb von 2 Wochen einen Termin und die Beratung hat mir und auch meinem Kind super geholfen. Ich kann dir nur empfehlen zu schauen, welche Angebote es in eurer Gegend gibt.
Wir waren seit Jahren nicht mehr bei unserer Kinderärztin, einfach weil es nicht nötig war. Dabei habe ich ganz vergessen, dass sie uns natürlich auch beraten kann und wichtige Adressen und Kontakte vermittelt.
Weitere Ideen und Anlaufstellen:
Jugendamt, je nachdem welchen Ruf es hat und wie die Zusammenarbeit klappt
Selbsthilfegruppen in deiner Nähe (einfach mal googlen)
Treffs für Alleinerziehende (werden häufig von der Caritas oder der Diakonie angeboten)
Facebook-Gruppen (zu verschiedenen Themen. Häufig sind die Erfahrungsberichte sehr hilfreich)
Leihomas/Leihopas unsere Gemeinde hat eine Drehscheibe, in der Dinge gesucht und angeboten werden können. Vielleicht gibt es bei dir in der Nähe ja auch so etwas. Eventuell gibt es auch nette Menschen in der Nachbarschaft, die deine Familie gerne unterstützen möchten.
Projekte zur Unterstützung von Familien Das Angebot ist hier natürlich sehr unterschiedlich. Schau dich mal um, was es bei euch gibt. “Familien unterstützen in…”
Vernetzung Manchmal genügt ein neuer Mensch im Leben, um mit den Herausforderungen besser klarzukommen. Finde Gleichgesinnte und tausche dich aus. Mein e-Book “Weniger alleine als Alleinerziehende” zeigt dir Wege auf, wie du dir als Alleinerziehende ein Netzwerk aufbauen kannst.
Meist ist es gar nicht das Fehlen der Angebote. Wie soll man in dem Dschungel das Passende finden und dann auch noch zeitnah einen Termin bekommen?
Vielleicht hast du Menschen in deinem Umkreis, die dir beim Sortieren helfen können? Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass man nicht immer gleich an die richtige Stelle kommt.
Dass aber jeder Schritt, den ich gehe, mich irgendwohin bringt.
Jeder Schritt ist besser, als stehenzubleiben.
Christine Finke hat in diesem Artikel über viele strukturelle Probleme, die uns Alleinerziehenden das Leben schwermachen, geschrieben.
Das ist wichtig, im Hinterkopf zu behalten. Es ist nicht fair, diese ganze Last auf die Einzelnen zu legen. Aber das hilft uns jetzt nicht.
Wenn sich sonst niemand um unsere Gesundheit kümmert, dann tun wir das (auch noch – so gut es eben geht). Und wenn es nur kleine Schritte sind oder auch nur das Bewusstsein dafür sich ändert.
Als meine Beine in diesem Jahr nicht mehr das taten, was sie sollten, wurde ich ausgebremst. Plötzlich ging es langsam und plötzlich ging es mit weniger. Weil es sein musste. Lass es nicht so weit kommen.
2023 war für mich und mein Kind ein Jahr der Pausen und Abenteuer. Wir konnten mehr Urlaub als sonst machen und dadurch, dass meine Tochter mittlerweile 10 ist, fühlten sich die Urlaube auch wieder mehr wie Urlaub an.
Trotzdem haben mir gesundheitliche Probleme gegen Ende des Jahres deutlich gezeigt, dass Kraft nicht verhandelbar ist.
Unsere Gesundheit ist das Wichtigste, was wir haben, deswegen priorisiere sie, bevor dein Körper dich darauf hinweisen muss.
Kleine Schritte sind besser als keine Schritte. Zum Thema “Gesundheit als Alleinerziehende” habe ich hier einen Artikel für dich.
Als Mutter wachsen wir in die Aufgaben und Herausforderungen hinein, die unsere Kinder so mit sich bringen.
Manchmal merken wir dabei gar nicht, wie viel wir kompensieren und unseren Alltag so gestalten, damit es läuft. Manchmal verlieren wir uns dabei und merken zehn Jahre später erst, was wir da die ganzen Jahre geleistet haben.
Nimm dir ein wenig Zeit und lasse das Jahr revue passieren. wie geht es dir?
Wie geht es euch als Familie?
Wenn du auch alleinerziehend bist, frage dich, wie es dir damit geht und was du brauchst, damit du dich weiterhin gut um euch kümmern kannst.
Alleinerziehend, vielleicht selbst mit ADHS oder anderen neurodivergenten Merkmalen mit einem neurodivergenten Kind ist eine ganz besondere Herausforderung, bei der du Hilfe in Anspruch nehmen darfst.
Ich wünsche dir alles Gute für den Jahreswechsel und dass du die Unterstützung bekommst, die du brauchst, damit du dich um deine Kraft und deine Gesundheit kümmern kannst.
Erzähl doch mal: Gibt es eine Erkenntnis/Satz/Erlebnis, das dir aus dem vergangenen Jahr im Gedächtnis geblieben ist?
Wenn dein Jahr 2023 eine Überschrift bekommen würde, welche wäre es? Und welches Motto wünschst du dir für 2024?
Danke für diesen schönen Artikel. Ich freue mich immer so sehr, wenn eine Email von dir im Postfach ist. Es fühlt sich immer an, als bist du die einzige, die weiß, wie ich mich fühle!! Danke. Mein 2023 heißt: „Demut lernen“. Und mein 2024 soll heißen: „Aus der Dunkelheit ins Licht“. Na dann mal los 🙂
Danke für dein Feedback. Das freut mich sehr:-) Manchmal habe ich das Gefühl, kein Mensch würde meinen Newsletter lesen. Desto mehr freut es mich, dass dich meine Zeilen erreichen.
„Aus der Dunkelheit ans Licht“ ist ein tolles Motto. Ich drücke dir fest die Daumen dafür und wünsche dir ganz viel Freude im neuen Jahr.