Die unsichtbare Care-Arbeit Alleinerziehender:
„Meine Mama muss ja auch viel mehr arbeiten, als deine!“
BÄM! Das saß.
Sprachlos suchte ich nach Argumenten und hielt inne. Stopp, willst du jetzt wirklich einer 8-jährigen Freundin meiner Tochter erklären, weshalb ich „so oft“ zu Hause bin? Riskieren, dass sie nur Fraktionen meiner Aussagen zu Hause wiedergibt und das alles dann total falsch aufgefasst wird?
Ich zog mich lieber zurück und hielt die Klappe. Aber der Satz arbeitet noch heute in mir und ich konnte nicht anders, als das Thema zumindest mit meiner Tochter zu besprechen.
„Du hör mal, der Satz von Merle neulich, der ärgert mich…Es stimmt, dass ich mehr zu Hause bin, als viele andere Eltern. Aber nicht weil ich wenig arbeite. Eigentlich arbeite ich den ganzen Tag. Weißt du, es gibt bezahlte Arbeit und es gibt unbezahlte Arbeit.“ „Ja ok, was wollen wir spielen?“
Das Thema interessiert sie nicht. Noch nicht. Wir werden es sicher wieder aufgreifen.
Viele Familien suchen sich nicht aus, viel oder wenig zu arbeiten.
Es geht schlichtweg nicht anders. Nicht wenige Familien, entscheiden sich aber dazu, viel zu arbeiten, um den Lebensstandard zu haben, den sie sich wünschen. Völlig legitim. Von denen möchte ich aber einen solchen Satz nicht hören. Von einem Kind ausgesprochen, nehme ich diesen natürlich nicht persönlich. Sie wissen es eben nicht besser.
Vielleicht haben sie den Satz auch irgendwo gehört, wahrscheinlich sogar.
Ich weiß, dass für viele alleinerziehende Mütter ein Teilzeitjob ein großes Privileg darstellt. Ich weiß, dass sich viele nicht aussuchen können, ob sie Vollzeit oder Teilzeit arbeiten.
Dass ein Teilzeitgehalt in vielen Berufen nicht mal für die Miete reicht. (was dringend geändert werden sollte) Euch meine ich mit dem Artikel nicht.
Sondern eher die Familien, die wählen, viel zu arbeiten. Was komplett in Ordnung ist. Es ist aber eben nicht in Ordnung, Familien, die scheinbar weniger arbeiten, dann zu bewerten. Ganz bewusst ist mein höchstes Gut, „freie“ Zeit.
Je mehr Stunden Familien arbeiten, desto mehr Geld ist da. Desto größer sind oft die Häuser und exklusiver die Urlaube. Desto größer der Fußabdruck, den sie auf der Erde hinterlassen.
Dieser Satz „meine Mama muss ja viel mehr arbeiten“, fiel vor einem Wochenende, an dem ich von morgens bis abends mit Möbelrücken, Streichen, Umräumen und Aufräumen beschäftigt war.
Alles unentgeltlich, versteht sich.
Während dessen habe ich meine Tochter mit dem Lebensnotwendigen versorgt und bei Laune gehalten. Care-Arbeit eben. Machen wir ja alles aus purer Freude und Glück, deswegen muss sie weder anerkannt, und schon gar nicht bezahlt werden. Ironie off!
Zwischenzeitlich habe ich auch noch zusätzlich eine ihrer Freundinnen versorgt. Keiner Alleinerziehenden muss ich erklären, was es bedeutet, weniger zu arbeiten. (Wobei ich 30 Wochenstunden als gar nicht so wenig empfinde. Die vielen Stunden, die in mein Nebengewerbe fließen mal außen vorgelassen.)
Weniger Geld, Logo. Nur de facto nicht weniger Arbeiten. Weil arbeiten tun wir ja immer. Wo Frauen in Partnerschaften darum kämpfen, dass die Care-Arbeit fairer aufgeteilt wird, besteht in Einelternfamilie kaum die Möglichkeit einer Aufteilung von Care-Arbeit.
Die Belastungen durch die Fürsorge-Arbeit bei Alleinerziehenden ist also automatisch schon viel höher.
Am Ende sind wir darauf angewiesen, unser Leben so zu strukturieren, dass wir klar kommen. Vieles auf ein Minimum runterschrauben und uns auf das fokussieren, was wichtig ist.
Zum Beispiel: kleine Wohnung, wenig Zeugs. Einkäufe gut organisieren und Perfektionismus hintenanstellen.
Und trotzdem werden wir als Alleinerziehende immer viel arbeiten, oft genug unbezahlt. Die Rechnung für diese unbezahlte Care-Arbeit, zahlen wir dann im Alter. Altersarmut lässt grüßen.
Während andere Familien Reinigungskräfte (neuerdings „Putz-Fee“ von Besserverdienenden genannt) engagieren von ihrem hart verdienten Geld, putzen wir selbst.
Während Familien, die viel arbeiten, viele Urlaube planen, schauen wir, dass wir über die Runden kommen mit einem Teilzeitgehalt. Oder einem Vollzeitgehalt. Vollzeit arbeiten als Alleinerziehende wird dann aber auch gleich abgestraft. „Was, die arbeitet Vollzeit und das Kind hat schon einen eigenen Schlüssel?“
Als Mutter kannst du es nur falsch machen. Als alleinerziehende Mutter erst recht! Wenn es Probleme gibt, dann wirst ganz alleine du dafür verantwortlich gemacht.
Während Familien mit 2 vollen Einkommen öfters in großen Häusern wohnen, Gärten, Haustiere und zwei Autos besitzen, verzichten Alleinerziehende auf vieles davon. Ohne es vielleicht als Verzicht zu sehen.
Und trotzdem hatte ich öfters in den letzten 9 Jahren diesen Gedanken: „Ein Garten, das wärs!“ Aber dann müsste ich mehr erwerbsarbeiten und hätte weniger Zeit für meine Tochter. Ist es das wert? Das darf jede Familie selbst entscheiden, insofern sie überhaupt das Privileg hat, darüber zu entscheiden.
Ich bin jeden Tag dankbar dafür, unseren Lebensunterhalt mit 30 bezahlten Arbeitsstunden verdienen zu können. Auch wenn ich dann trotzdem den ganzen Tag irgendwie arbeite.
Wie ich das im Alter sehen werde, wenn ich von meiner mickrigen Rente leben muss, das weiß ich heute noch nicht.
Und wo wir schon mal beim Thema unsichtbare Care-Arbeit sind…
während ich das hier schreibe fällt die Vorhangstange von der Decke und die Dusche ist seit heute Morgen auch verstopft. Ein paar Fußleisten sind ab, geht das noch oder muss ich das dringend machen? Sind ja schließlich schon ewig ab. Stören mich aber mittlerweile doch.
Mein Kind hat heute Morgen die Brotdose vergessen. Im Hinterkopf ständig Abwägen, vorbeibringen oder nicht vorbeibringen?
Wann soll ich das überhaupt machen, ich arbeite doch, und wo finde ich men Kind?
Wie kann ich den Alltag neu strukturieren, um mein Kind bei den Schulaufgaben besser zu unterstützen und was koche ich heute Mittag? Keine Lust zu kochen, um ein „Bäh, das esse ich nicht“, zu hören.
Aber schon wieder Maultaschen aus der Packung, das geht doch nicht. Ist doch voll ungesund. Was, wenn mein Kind sich diese Essgewohnheiten antrainiert?
Ach herrje, Fasching…wie kann das klappen, dass die Haare wie bei Pippi Langstrumpf nach oben stehen und wie erkläre ich meinem Kind, dass ich nicht möchte, dass es gewisse Kostüme, die es geschenkt bekommen hat, in der Schule trägt? Wie organisiere ich die Ferien übernächste Woche?
Ach herrje, Ferien. Ich muss ja noch einen Termin mit der Lehrerin vereinbaren und zum Arzt müssen wir auch.
Ok, ich höre auf. 9 Uhr, die Woche ist noch frisch und ich bin durch. Aber ich arbeite ja viel weniger als die andere Mama. Ja stimmt, viel weniger Arbeit, die bezahlt wird. Und drei mal so viel, die nicht bezahlt wird.
Können wir für die unsichtbare Care-Arbeit Alleinerziehender bitte mal Bewusstsein schaffen? Danke.
Wenn du dein Leben als Alleinerziehende leichter gestalten möchtest, dann ist mein PDF „Leichter Leben als Alleinerziehende„, das du dir durch Eintragen deiner Emailadresse, sichern kannst, ein guter Anfang. Manchmal reichen ein paar wenige Impulse um erste Schritte in eine bessere Zukunft zu machen. Das PDF hilft dir dabei:
- Stark und selbstbewusst mit eurer Familiensituation umzugehen.
- Dich zu sortieren und klarer zu sehen.
- Verstehen, was dein Kind nach der Trennung der Eltern braucht.
- Zu spüren, was du brauchst und deinen eigenen Bedürfnissen wieder mehr Beachtung schenken.