Alleinerziehende Mütter werden regelmäßig mit Vorurteilen und vermeintlichen Ratschlägen konfrontiert.
Es gibt viele solcher Sätze, bei denen sich uns die Haare zu Berge stellen und wir nur noch wegrennen möchten.
Es gibt da einen Satz, den ich in letzter Zeit immer wieder höre. Einen Satz, der mich sowas von ärgert und mich meine Haare raufen lässt. Erst heute ist mir die passende Antwort darauf eingefallen.
Am meisten ärgert mich dieser Satz, wenn er von Menschen kommt, die 1000 Hobbies haben, einen gehobenen Lebensstandard pflegen und jeden Schritt mit ihrem Auto zurücklegen. Nichts gegen Menschen mit Hobbies, gehobenem Lebensstandard oder lauffaulen Autofahrern…
„DU HAST JA ZEIT!“ (das ist der Satz, von dem ich hier schreibe)
Echt?
Passender wäre vielleicht: Wie schaffst du es, deine Zeit einzuteilen, dass du Zeit für das hast, was dir wichtig ist? Prioritäten setzen habe ich in den letzten Jahren meines Alleinerziehendendaseins gelernt.
Hat mein Tag mehr als 24 Stunden, nur weil ich jahrelang dafür gearbeitet habe, mir das dritte Jahr Elternzeit zu ermöglichen, wenn meine Tochter in die Schule kommt?
Lange wusste ich nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Ich habe Zeit. Aha. Dabei rast die Zeit gerade so schnell an mir vorbei wie selten zuvor.
Da ist der Druck, dieses Jahr gut zu nutzen. Aber hey, ich spreche hier von 3-4 Stunden am Vormittag, in denen ich Zeit habe, die ich relativ frei einteilen kann.
Mal von Butterbrote schmieren, Haushalt machen, Arztterminen, Wäsche waschen und Mittagessen vorbereiten abgesehen.
Die To-Do Liste wird einfach nicht kleiner
Heute hat die dritte Schulwoche begonnen und bis jetzt bin ich nur dazu gekommen, die Stapel, die sich in den Jahren des Alleinerziehenden-Daseins angesammelt haben, von ihren Staubschichten zu befreien.
Ich habe zum Beispiel endlich den tropfenden Schlauch bei meiner Küchenarmatur ausgetauscht.
Dabei habe ich direkt die nächste Baustelle entdeckt, die gleich einen weiteren Tag in Anspruch genommen hat. Und so arbeite ich mich von Baustelle zu Baustelle.
Ich nehme mir aber auch bewusst Zeit, mal ein Buch, rein zur Unterhaltung, zu lesen.
Mich im Wald zu bewegen oder Strecken zu Terminen, die ich zuvor aus Zeitmangel mit dem Auto zurückgelegt habe mit dem Fahrrad zu fahren.
Gerade alleinerziehende Mütter sollten ihre Prioritäten klar haben.
Zur Elternsprecherin habe ich mich wählen lassen. Nicht, weil ich Zeit habe. Sondern weil es mir wichtig ist, mich für mein Kind und für den Ort, an dem es viel Zeit verbringt, zu engagieren.
Mir ist es wichtig, dass eine Klassengemeinschaft entsteht. Corona erleichtert die Sache nicht gerade.
Mittags steht ein warmes Mittagessen auf dem Tisch und ich kann meinem Kind zuhören. Nicht, weil ich die Zeit habe.
Nein, weil es mir wichtig ist und weil ich früher jeden Tag nach der Schule meinen Ranzen in die Ecke werfen und bei Oma am Küchentisch von meinem Tag berichten konnte.
Nachmittags sind wir viel an der frischen Luft unterwegs und ich werde schon seltsam angeschaut, weil ich so viel Zeit mit meiner so großen Tochter verbringe.
Ich mache das nicht, weil mir langweilig ist oder ich zu viel Zeit habe.
Sondern weil ich es im Moment für wichtig halte und weil es uns beiden gut tut.
Sie ist aber auch viel alleine in dem angrenzenden, kleinen Waldstück unterwegs. Mir ist es einfach wichtig, dass sie neben der Schule noch viel zeit für freies Spiel hat.
Wenn Eltern mich staunend anschauen, weil sie kaum mitkriegen was die Kinder in der Schule so machen und ich ihnen den kompletten Tag schildern kann, dann frage ich mich: Liegt es etwa daran, dass ich mir die Zeit nehme? Also wirklich nehme? Um zuzuhören, um da zu sein? Klar, es gibt auch einfach Kinder, die nicht so gern erzählen.
Kein schlechtes Gewissen- egal wie der Lebensentwurf aussieht
Ich möchte mit diesem Artikel niemandem ein schlechtes Gewissen machen, weil er oder sie nicht da ist wenn das Kind aus der Schule kommt. Dazu ist der Artikel nicht da. Kinder können sich genauso wohl fühlen, wenn Eltern sich nicht sooooo viel Zeit nehmen.
Wenn Eltern feinfühlig sind, in sich hineinhören und genau hinsehen um herauszufinden, was ihr Kind beschäftigt und was es braucht, dann kann vieles gelingen.
Ich wünsche mir, dass ich diesen Satz nicht mehr zu hören bekomme.
Denn mein Tag hat 24 Stunden, wie die Tage von allen anderen auch. Jeder hat jederzeit die Möglichkeit dazu, sich für das zu entscheiden, was ihm wichtig ist. Das gehört nicht verurteilt und auch nicht belächelt.
Nun kann ich mir ansatzweise vorstellen, wie sich Elternteile fühlen, die sich dafür entscheiden nach der Geburt eines Kindes erstmal zu Hause zu bleiben.
Oh, da fällt mir noch so ein nerviger Satz für Alleinerziehende ein, der überhaupt nicht geht:
„WAS MACHST DU DENN NUN DEN GANZEN TAG?“
Definiere mir bitte mal „den ganzen Tag?“ Meinst du die paar Stunden die mein Kind in der Schule ist, also von halb neun bis zwölf? Keine Sorge, aber in den paar Stunden war mir bisher noch nie langweilig. Mittlerweile frage ich mich, wie ich vorher alles geschafft habe!
Aber die beste Antwort, die mir auf den unverschämten Satz: DU HAST JA ZEIT! Nun eingefallen ist, ist:
Ich habe genauso viel Zeit wie du, ich nehme mir die Zeit aber für die Dinge, die mir wichtig sind. Ich habe lange über meine Prioritäten nachgedacht und lebe nun danach. In ein paar Jahren werden sich diese von ganz alleine wieder neu ausrichten.
Hoffentlich trete ich damit niemandem auf die Füße, sondern rege zum Nachdenken an.
Dann kommen gleich die: „na, ja du hast ja auch…du kannst ja auch,…“
Nope! Diese Einwände lasse ich nicht gelten. Ich nehme mir die Zeit für die Dinge, die mir im Moment am wichtigsten sind…na ja und all die Dinge, die halt eben so anfallen, wenn man alleine mit Kind lebt und niemanden hat, mit dem man sich die Verantwortung teilen kann.
Und so lasse ich mir meine lang ersehnte Auszeit, in der ich endlich mal meine Gedanken hören kann nicht von solch blöden Sätzen verderben.