Als großes Glück empfinde ich die Tatsache, dass ich vom Land komme. Kinder brauchen Bewegung, Natur und frische Luft.

Ein kleiner Ort mit 2 Straßen, einem Dorfbrunnen, einer Dorfkirmes und einem Boule-Platz, auf dem Menschen zusammenkommen. In etwa leben dort 120 Menschen, von denen ich in meiner Kindheit den Namen kannte. Meine Schule war der Wald, waren die Menschen, war Bewegung und die Kindergruppe aller Altersstufen. Kinder bewegten sich einfach den Großteil der Zeit draußen.

Denn vor 30 Jahren war bei uns die Schule noch um 11 Uhr zu Ende.
Das ist nicht für jeden etwas und auch ich bin mit 23 Jahren dieser Idylle entflohen, erstmal ans andere Ende der Welt. Danach war ich viele Jahre in der Welt unterwegs, lange Zeit in einer 8 Millionen Stadt, bevor es mich wieder nach Deutschland verschlagen hat, eher zufällig.

Eines blieb allerdings immer – meine Wurzeln. Meine Heimat ist da, wo ich aufgewachsen bin, zu Hause bin ich aktuell woanders. Ich bin ein Landei, wenn ich mich auch wunderbar an die verschiedenen Lebensräume anpassen kann.

Mein Leben findet draußen statt. Es zieht mich förmlich vor die Tür.

So kommt es auch, dass ich mit meiner Tochter sehr regelmäßig in meine Heimat fahre und jedes Mal wieder staune, welche Möglichkeiten sich ihr dort bieten. Ganz natürlich, ganz zwangslos, ganz automatisch.

All das, was sie am letzten Wochenende dort erlebt hat, kann ich ihr hier in unserer Gemeinde fast nur geplant und organisiert zur Verfügung stellen.

Da ist zum einen das Bindungsnetz, das ganz einfach da ist. Oma, Opa, Onkel, Tante, Cousins, Freunde und Nachbarn. Zum anderen ganz viel Freiheit, keine Termine- dafür viel Natur.

Was braucht es mehr für einen kleinen Menschen, um sich zu entwickeln?

Auf Bäume klettern, am Dorfbach und im Gestrüpp spielen, die Hühner füttern, zum ersten Mal eine Säge in der Hand haben, alles geschieht einfach so, ohne Programm. Insekten in Omas Garten bestaunen und beim Einsäen helfen. Ein eigenes kleines Beet anlegen und stolz beobachten wie langsam etwas wächst.

Merken, dass zu Hause schon viel mehr blüht als anderswo und dass zu Hause aber komischerweise viel weniger Insekten fliegen. Schmetterlinge – scheinbar kaum noch zu sehen, in meiner Heimat sehr wohl.

Das alles eröffnet so viel Raum für „Warums“ und unendlich viel Gesprächsstoff. Manche Dinge verschwinden so sang-und klanglos, ohne dass wir es wahrnehmen.

Nur ein Mensch, der sich mit der Natur verbindet wird diese irgendwann auch schützen. Nur wenn wir wissen, wie Natur aussieht, halten wir diese für schützenswert. Er wird bemerken, wenn wichtige Dinge verschwinden und wenn es plötzlich Erdbeeren das ganze Jahr über gibt.

Auch mal feststellen, dass das Wasser des Baches oben in die Gummistiefel läuft wenn man in zu tiefes Wasser steigt.

Sachverhalte, die für Erwachsene so selbstverständlich sind.

Aber wo sollen unsere Kinder ohne Erfahrung solche Dinge wissen? Ich erinnere mich noch genau, wie es sich anfühlt, wenn die Gummistiefel voller Wasser laufen.

Es fiel mir sehr schwer, meine Tochter mit ihrem Cousin zur Erkundung des Dorfbaches losziehen zu lassen und ich muss gestehen, dass ich ziemlich schnell nachgegangen bin. Denn so gut schwimmen kann sie noch nicht. Auch wenn das Wasser eigentlich nirgendwo so tief ist, dass Kinder ertrinken können.
Auf diesem Ausflug hat meine Tochter so viel erfahren. Auch, wie es ist, wenn man in einer brenzligen Situation ist und da alleine wieder rausfindet. Sie war aber heilfroh, dass ich losging, um die zwei zu suchen. Die Panik und Frustration, die sie gespürt hat, als sie feststellte, dass der Bach tiefer ist als sie dachte, war noch den Rest des Tages zu spüren.

Wie fühlt es sich an, auf einen Baum zu klettern und wieso schaut das von oben so viel höher aus als von unten? Das sind so Dinge, die man erleben muss. Die kann einem niemand erklären oder beibringen.
Auch, dass wenn man am Dorfbrunnen zu wild umherspringt es eben passieren kann, dass man kopfüber im eiskalten Wasser landet. Eine Erfahrung, die ich ihr in jungen Jahren versucht habe, zu ersparen.

Der eigenen Kreativität sind keine Grenzen gesetzt

Es gibt viele Wege, auf einen Baum zu klettern. Sich als Kind, selbst zum Ziel zu setzen, diese Hürde zu nehmen und ganz viele Wege auszuprobieren ist einfach nicht zu ersetzen. Da kann das Ergebnis schon auch mal sein, „ok ich schaffe es gerade nicht alleine, ich gebe auf und nehme Hilfe an.“

Die Kreativität zu beobachten, die Kinder entwickeln, wenn sie sich ein Ziel in den Kopf gesetzt haben ist so inspirierend. Dabei still zu bleiben, außen vor zu bleiben, nicht zu kommentieren, sondern einfach zu bemerken, fällt oft nicht leicht.

Ein Sonntag mit der Familie.

Wandern in der Sonne, freundliches Grüßen der Menschen, die uns begegnen. Austausch einiger Belanglosigkeiten. Nach einigen Anstrengungen und abverlangtem Durchhaltevermögen am Ziel ankommen und feststellen, dass ein Eis so viel besser schmeckt, wenn man davor so richtig dafür gearbeitet hat.

Ach es gibt so viele Dinge, die ich auf dem Land schätze. Desto trauriger macht es mich, dass es kaum noch Kinder in meinem Herkunfts-Dorf gibt. Die, die es gibt, sind bis spät Nachmittags in der Betreuung, im Fußball, Turnen oder Musikunterricht. Das Argument „Alleine langweilen sie sich“ höre ich ständig.

Die liebe Langeweile – so gefürchtet, doch so wertvoll

Dabei ist es doch gerade die Langeweile, die die Kleinen brauchen. Luft, zum Atmen. Raum, um sich und die Welt zu erkunden.
Klar sind sie beschäftigt, wenn sie bis spät Nachmittags oder bis zum frühen Abend mit Gleichaltrigen zusammen sind. Aber entsteht da die nötige Sicherheit und Ruhe, um zu echtem Spiel bewegt zu werden? Ich bezweifle es und habe auch so gut wie noch nie echtes Spiel in großen Gruppen von Gleichaltrigen beobachten können.

Die Natur- natürlicher Lernort ohne Grenzen

Die Natur bietet den besten und größten Lernort, den es gibt. Wenn die nötigen Wurzeln, um sich zu entfalten, gegeben sind. Das Kind fängt an, die Welt zu erkunden, wenn der Heimathafen sicher ist.
Nun ist mir schon klar, dass nicht jedes Kind in einem Dorf aufwächst und auch nicht jeder Verwandte auf dem Land hat. ABER. Wieso nicht einfach mal einen ganz einfachen Urlaub planen? Es muss nicht immer Flug, Meer, Besichtigungen, und, und, und sein. Oft sind es die einfachen Dinge, die unsere Kinder glücklich machen. Entspannen, vielleicht gar nicht weit von zu Hause weg. Gleichgesinnte treffen, eine tolle Zeit mit den Kindern genießen. Ohne „ich muss…“, einfach so. Viel draußen, am Ende des Tages schmutzige Gesichter und zerzauste Haare.
Vielleicht wäre das ja was für eure Familie? Schont Nerven, Geld und schützt ganz nebenher noch die Umwelt. Raum für echte Verbindung, ohne Druck und ohne Wenn und Aber.

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