Immer wieder stellen sich Eltern die Frage: „Wieviel Förderung braucht mein Kind?“

Seitdem meine Tochter 4 Jahre alt ist (wahrscheinlich schon viel früher – aber davor habe ich es nicht bewusst wahrgenommen) häufen sich in meinem Umfeld die Diskussionen rund um verschiedene Kurse, die für Kinder angeboten werden. Alle Eltern wollen ihre Kinder optimal fördern und sie nicht benachteiligen. Denn das Rennen um die wenigen Plätze scheint früher und früher zu beginnen.

Die Sorge bei vielen Eltern ist groß. Fördern wir unser Kind genug? Wieviel Förderung braucht mein Kind denn wirklich? Verpasst es etwas, wenn es nicht wenigsten drei verschiedenen Aktivitäten nach dem Kindergarten nachgeht?

Viele Eltern machen sich den Stress am Nachmittag, zerren ihre Kinder in vermeintlich entwicklungsfördernde Kurse, lassen nicht selten weinende, gestresste und müde Kinder zurück und reden sich ein, dass das Kind ja mithalten muss.

Schließlich schleppen fast alle Eltern ihre Kinder mit spätestens 3 Jahren zu einem Kurs.

Wann ging das Vertrauen in die Entwicklung unserer Kinder verloren?

 

Wann fingen wir an, zu denken, man müsse ihnen alles beibringen? Es ging nur mit viel Förderung?

Als ich klein war fingen die außerschulischen Aktivitäten sehr viel später an. Davor hätte es schlichtweg keinen Sinn gemacht. Ich wollte Spaß haben, ich war im Spielmodus und wollte nicht angeleitet werden, etwas zu leisten. Irgendwie wussten meine Eltern noch, dass Spiel für Kinder (eigentlich auch für Erwachsene) das Allerwichtigste ist, wenn es um eine gesunde Entwicklung geht. Als ich dann größer war habe ich viele verschiedene Kurse besucht und ganz viel ausprobiert.

Sobald wir eine Absicht, ein Ziel zu den Aktivitäten unserer Kinder hinzufügen, verschenken wir die Freiheit, die sie im echten Spiel erleben dürfen.

Ein Kind, das gerne tanzt wird tanzen. Dazu braucht es weder Anleitung, noch Choreographien zum Nachtanzen. Tanzt es nur noch für den Applaus und für die perfekte Aufführung oder für ein schönes Photo, dann geht der ursprüngliche Sinn des Tanzens verloren. Es wird nicht mehr von Emotionen bewegt, sondern tanzt mit einem bestimmten Ziel.

Meine Kleine ist eine Turnerin und eine Kletterin. Sie turnt und klettert den ganzen Tag.

 

Der Turnunterricht stand da eher im Weg.

Man schaue sich mal den Turnunterricht von 4-6 -Jährigen an. Die meiste Zeit verbringen sie damit, zu warten bis sie an der Reihe sind. Außerdem werden sie ständig ermahnt, wenn sie mal aus der Reihe tanzen oder wie wild in der Halle herumrennen.

Wenn ich aber meiner Tochter ein Umfeld biete, in dem sie sich bewegen kann, turnt sie von früh bis spät und hat viel mehr Spaß dabei und es kommt ganz vieles aus ihr heraus. Sie zeigt beim Turnen ganz viele Emotionen. Richtig bewusst wurde mir, dass der Turnunterricht meine Tochter eher einschränkt, als die Turnlehrerin ihr nahelegte, doch „richtig“ über den Schwebebalken zu gehen.

Wo ich ihre großartige Problemlösungskompetenz sah, in dem sie ihren eigenen Weg fand, über den Balken zu kommen, sah die Turnlehrerin ein falsches Überqueren. Traurig.

Nun bin ich immer wieder erstaunt, was sie alles in Turngeräte umfunktioniert. Neuerdings macht sie sehr kreative Kunststücke an der Schaukel, zirkusreif.

Mein ganz eigener emotionaler Spielplatz als Kind war die Blockflöte. Sobald ich meine Flöte in der Hand hatte konnte ich all meine faule Frustration herausspielen.

Irgendwann in meiner späteren Kindheit ging das verloren. Ich erlernte ein weiteres Instrument, es ging nicht mehr so sehr darum, zu spielen um zu spielen, sondern darum bestimmte Stücke zu lernen um im Orchester mithalten zu können. Ich verlor schnell die Freude an meinem Instrument und es wurde zur Pflicht. In letzter Zeit habe ich mich immer mal wieder an meine Zeit mit der Blockflöte erinnert und spiele immer öfter mit dem Gedanken, es wieder einmal mit der Musik zu versuchen, nur ich und die Musik.

Beim Tennis fiel mir der Unterschied zwischen Spielmodus und Arbeitsmodus extrem auf. So lange ich zum Spaß spielte, spielte ich viel besser als wenn es ums Gewinnen ging. Ich hatte irgendwie Angst, einen Fehler zu machen, spielte sehr zurückhaltend und verlor regelmäßig. Den Spaß am Spiel fand ich erst Jahre später wieder, als ich mit einem Freund regelmäßig auf der Straße spielte, einfach so, zum Spaß.

Nichts gegen Wettbewerb oder Mannschaftsspiele. Aber eben zum richtigen Zeitpunkt. Und der Spaß sollte erhalten bleiben, denn die wenigsten werden Profis werden.

Gestern lief ich an einem Sportplatz vorbei. Dort standen an die 60 Kinder in 3 Reihen mit 3 Fußballtrainern und warteten. Offensichtlich sollten die Kinder eine Übung machen, die ihnen gezeigt wurde.

 

Denkt wirklich jemand, dass diese Kinder einmal besser Fußball spielen werden als die, die die ersten Jahre pausenlos auf der Straße herumkicken durften?

Für die Fußball einfach Spaß und Spiel bedeutet und nicht Anstehen und befolgen, was der Trainer sagt? Lob und Kritik eingeschlossen?

Beim Schwimmen lernen macht es mich besonders nachdenklich. Sollen diese Kinder, voller Angst, alleingelassen mit einem Schwimmlehrer, den sie kaum kennen, besser schwimmen lernen als ein Kind, das regelmäßig mit seinen Vertrauten ins Schwimmbad geht und völlig selbst bestimmt schwimmen lernt. Ich bezweifle es. Besser für die Beziehung und für den Spaß ist mit Sicherheit letzteres. Ich will hier keinem Schwimmlehrer auf die Füße treten, es gibt sicher sehr gute Trainer. Allerdings, hat das Kind Angst vorm Schwimmunterricht, dann sollte man vielleicht nochmal genau hinschauen.

„Du musst sie doch fördern, sie hat Talent. Bringe sie in einen richtig guten Turnverein“, bekam ich letztens zu hören, mit dem Zusatz: „sonst kommt ja nichts bei raus, wenn du sie nur rumrennen lässt.“ Das hat mich aufhorchen lassen. Was soll denn da bitteschön rauskommen?

 

Mein Kind ist fünf Jahre alt und alles was sie sollte, ist sich entwickeln, reifen und sich selbst besser kennenlernen. Dazu braucht es Spiel, keine Leistung.

Ihr Talent wird auch in ein paar Jahren noch da sein. Da kann sie dann gerne alles ausprobieren was sie möchte.

Ich möchte dich ermutigen der Versuchung zu widerstehen, aus jeder Leidenschaft deines Kindes eine Pflichtveranstaltung zu machen. Dein Kind malt gern? Wunderbar…dazu braucht es keinen Malkurs. Dein Kind singt gerne? Toll, zu Hause lässt es sich wunderbar singen. Dein Kind klettert gerne? Super, Bäume stehen an jeder Ecke. Dein Kind spielt gerne Fußball? Es sollten doch ein paar Kinder aus der Nachbarschaft aufzutreiben sein mit denen es spielen kann.

Es macht einfach einen riesengroßen Unterschied, ob ein Kind etwas tut, weil es dazu bewegt ist und sich dabei ausdrücken kann oder ob es etwas tut, um Applaus zu ernten oder irgendjemandem zu gefallen.

Wenn du über Trennung nachdenkst oder bereits getrennt bist und Kinder unter 7 Jahren hast, dann solltest du unbedingt dieses Video anschauen.



In dem Video erfährst du 3 wichtige Dinge:

  • Weshalb die 3 gängigen Umgangsmodelle Residenzmodell, Wechselmodell und Nestmodell nur als grobe Richtschnur dienen können.
  • Weshalb Kleinkinder und Vorschulkinder bei der Trennung der Eltern besondere Begleitung brauchen.
  • Weshalb der Satz „Die Kinder leiden am meisten“, unreflektierter Bull*it ist.

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