Wenn Papa sich nicht mehr meldet – wie kann ich meinem Kind helfen?
Ihr fragt, ich antworte:
Wie kann ich meinem Sohn (6 Jahre) nur helfen? Er ist so enttäuscht von seinem Vater und fragt sich die ganze Zeit, was eigentlich los ist. Am schlimmsten ist, dass mein Sohn sich Sorgen macht, seinem Papa könnte etwas zugestoßen sein.
Die ersten vier Lebensjahre war der Vater mehr oder weniger verfügbar und zuverlässig. Er wohnte in der Nähe, hat mit seinem Sohn Ausflüge unternommen und mit ihm gespielt. Der Umgang fand so etwa ein bis zwei Mal wöchentlich statt.
Dann entschied der Vater, zurück in sein Heimatland zu ziehen, worin ich ihn auch immer bestärkt habe. Ich war der Meinung, ein glücklicher Vater weiter weg ist immer noch besser als ein stets unglücklicher Vater in der Nähe.
Anfangs haben die beiden noch ein bis zwei Mal die Woche telefoniert, dann wurde es weniger. Seine Besuche fanden zwei bis drei Mal im Jahr statt. Nun wissen wir überhaupt nicht, wie es weitergehen wird und die Kommunikation ist von väterlicher Seite mehr oder weniger komplett abgerissen.
Wenn überhaupt, kommen einsilbige WhattsApp Nachrichten, die wenig aussagen.
Dass der Vater keinen Unterhalt zahlt, muss ich hier wohl nicht noch extra erwähnen.
Wie kann ich meinem Sohn nur diese Last nehmen?
Vielen Dank für deine Frage und die Beschreibung der Situation. Ich kann deinen Schmerz und deine Hilflosigkeit nahezu spüren.
Dazu ist die Situation auch noch sehr ungerecht. Der Mensch, der die Schwierigkeiten und schlechten Gefühle verursacht, ist nicht da, um sie aufzufangen.
Das bleibt, wie so oft, zusätzlich zu den alltäglichen Belastungen des Alleinerziehendseins, auch noch an dir, als Mutter hängen.
Du kannst deinem Sohn die Last durch das Verhalten des Vaters nicht nehmen…
Aber du kannst ihn unterstützen, damit sie kleiner wird und leichter zu tragen ist.
Dazu ist es wichtig, dass du deinem Kind ganz viel Raum für seine Trauer, seine Verzweiflung und seine Frustration einräumst.
Eventuell äußert sich dein Kind öfter aggressiv oder zieht sich mehr zurück.
Biete ihm immer wieder an, mit dir zu reden oder in Verbindung zu kommen. Zeige ihm, dass du für ihn da bist und dass du seine Gefühle gut aushalten und begleiten kannst.
Dein Sohn sollte seine Gedanken und Gefühle irgendwo ausformulieren und zeigen dürfen. Gerade in Trennungssituationen halten Kinder Gedanken zurück.
Sie wollen den anwesenden Elternteil nicht zusätzlich belasten oder spüren genau, dass das alles eigentlich gerade zu viel für dich ist.
Normalisiere die Gefühle deines Kindes und stelle klar, dass es selbst keine Schuld hat
“Ob dein Papa sich meldet oder nicht, hat nichts mit dir zu tun. Das hat ganz alleine mit ihm zu tun. Er ist der Erwachsene und die Verantwortung liegt bei ihm.”
Auch wenn dein Sohn oberflächlich zu wissen scheint, dass ihn keine Schuld an der Trennung oder am Verhalten seiner Eltern trägt, wird er sich insgeheim dennoch hin und wieder mit dem Schuldgedanken beschäftigen.
Stärke ihn hier und mache immer wieder deutlich, dass egal wie er sich verhält, das keinen Unterschied für die Situation macht.
Sag deinem Kind, dass es ganz normal ist, dass es so fühlt und dass das auch ok ist. Vermittle ihm, dass ihr das gemeinsam schafft und dass auch alles wieder einfacher und besser wird.
Halte Gesprächskanäle zum Vater deines Kindes offen
Du kannst versuchen, dem Vater mitzuteilen, wie euer Sohn sich bezüglich seines Verhaltens fühlt.
Was er brauchen würde und wie ihr das vielleicht gemeinsam hinbekommen könnt. Das macht natürlich nur Sinn, wenn du hier eine klitzekleine Chance siehst, dass deine Bitte auf offene Ohren stößt.
Du kannst deinem Sohn helfen, einen Brief an den Vater zu schreiben oder eine Fotocollage zu erstellen. Natürlich nur, wenn dein Sohn dazu Lust hat und es auch möchte.
Ihr könntet auch eine Kiste gestalten, in die ihr Erinnerungen legt und Dinge, die er seinem Vater gerne erzählen würde.
Vielleicht kommt später der Moment, in dem er diese Erinnerungsstücke übergeben möchte und kann.
Wenn vom Vater gar keine Reaktion mehr kommt
Ist vielleicht einfach die Zeit gekommen, um die Situation zu betrauern.
Am Ende ist der Vater für die Beziehung zu seinem Sohn verantwortlich und sollte sich darum bemühen. niemals sollte dein Sohn dafür kämpfen müssen und du auch nicht.
Manchmal hilft ein Schlussstrich und das Betrauern der Situation, um wieder in die Zukunft schauen zu können.
Das ständige Hoffen und Hinterfragen, wieso, weshalb, warum ist es belastend und führt zu nichts.
Halte gute Erinnerungen fest und betrauert das, was aktuell nicht ist.
Lasse dich nicht dazu hinreißen, schlecht über den Vater zu sprechen
Dabei kannst du natürlich das Verhalten des Vaters kritisieren und deinem Kind sagen, dass das nicht in Ordnung ist ,sich so zu verhalten.
Aber sprich nicht schlecht über den Vater deines Kindes. Das trifft Kinder sehr und kann sie verletzen und an sich zweifeln lassen.
Außerdem würde das eventuell auch dazu führen, dass dein Kind nicht mehr offen mit dir sprechen kann, weil es Angst davor haben muss, dass du seinen Papa schlecht machst.
Selbstfürsorge
Wenn ein Elternteil verschwindet, ist das nicht nur für die Kinder schwer.
Auch für den Elternteil, der bleibt, ist die Situation eine echte Herausforderung. Das Leben in Ein-Eltern-Familien ist schon schwer genug, denn wenn diese psychisch Belastung noch dazu kommt, wird es meist noch schwerer.
Deshalb kümmere dich gut um dich. Wenn dir Gespräche mit dem Kind zu der Situation zu viel sind, holt euch Hilfe.
Kann dein Kind vielleicht eine Therapie machen oder findest du eine Gruppe mit Trennungskindern zum Austausch? Lass dich bei der Caritas oder der Diakonie oder ähnlichem beraten.
Du musst das alles nicht alleine stemmen. Gibt es weitere erwachsene Bezugspersonen, die für dein Kind da sein können? Einen Onkel, eine Tante, Großeltern oder Nachbarinnen. Wie sieht es mit einer Vertrauenslehrkraft aus oder mit Schulzozialarbeiter*innen?
Struktur und Normalität
Sorge dafür, dass ihr eine gewisse Tagesstruktur habt.
Das gibt deinem Kind Sicherheit und lenkt es hin und wieder vom Grübeln ab. Unterstütze dein Kind in seinen Hobbys und erlaube ihm, Neues auszuprobieren.
Knüpfe Kontakte zu seinen Freundschaften und lädt Freund*innen zu euch ein.
Ermutige dein Kind, seine Gedanken und Gefühle nach Außen zu tragen
Das kann ganz unterschiedlich aussehen.
Vielleicht kann dein Kind sich im Spiel besser ausdrücken oder beim Sport seine Wut loswerden?
Vielleicht habt ihr ein Haustier, bei dem dein Kind seine Sorgen los wird. Drückt dein Kind sich gerne künstlerisch aus, dann kann auch das helfen.
Alles, was dein Kind von innen heraus bewegt, ist hier hilfreich.
Vermeide es dabei, dein Kind immer wieder konkret auf die Situation anzusprechen.
Kinder öffnen sich viel her, wenn sie durch die Hintertür eingeladen werden und wir nicht direkt immer wieder in ihren Wunden herumwühlen.
So begleitest du dein Kind gut durch die Trennung
Darum geht es in meinem Video-Kurs – Wie Kinder trotz Trennung glücklich und geborgen aufwachsen
Schau gleich mal vorbei und werde zum Leuchtturm deines Kindes, den es so dringend braucht.
Die Vergangenheit gehört dazu
Die Erfahrung deines Kindes ist und bleibt Teil von ihm.
Je natürlicher ihr damit umgeht, desto besser. Tabuthemen und Schweigen über gewisse Aspekte sind hier wenig zielführend.
Der Papa ist Teil seines Lebens, ob er da ist oder nicht. Manchmal bewusst und ganz oft unbewusst in Situationen, in denen ein Vater sich einfach nicht mehr oder kaum mehr meldet.
Keine Rechtfertigungen
Rechtfertige oder erkläre das Verhalten deines Ex-Partners nicht. Das kann nur er.
Nichts in der Welt rechtfertigt es, den Kontakt zum eigenen Kind nicht zu pflegen oder sein Kind im Stich zu lassen. Nichts!
Es ist nicht deine Aufgabe, die Situation für dein Kind weniger schlimm erscheinen zu lassen.
Sei da, zeige ihm, dass du ihn verstehst und ihn darin begleitest, mit dem Erlebten klarzukommen.
Weder Zeitgründe noch finanzielle Gründe erklären, weshalb ein Vater sich nicht mehr bei seinem Kind meldet.
Wenn der Papa des Kindes krank ist, sieht das natürlich anders aus. Dann hole dir Unterstützung darin, deinem Kind zu erklären ,weshalb sein Papa so handelt, wie er handelt.
Dem Frieden Willen auf Unterhaltszahlungen verzichten?
Zu deinem Zusatz bezüglich des Unterhaltes, der deinem Kind zusteht. Leider erhält ein Großteil der Trennungskinder in Deutschland keinen Unterhalt oder nicht den Betrag, der ihnen zusteht.
Bekommst du denn wenigstens Unterhaltsvorschuss?
Mir begegnen oft Mütter, die so wenig Anlass für Konflikte bieten möchten und deswegen auf vieles verzichten.
In eurem Fall kam es zum Abbruch des Kontaktes, obwohl kein Unterhalt gezahlt wurde. Mal ganz davon abgesehen, dass es zwei paar Schuhe sind, die nichts miteinander zu tun haben (sollten!).
Vielleicht ist jetzt der Moment, zumindest einen Unterhaltsvorschuss zu beantragen.
Denn offensichtlich ist der Vater nicht dazu bereit, eine Verantwortung als Vater zu übernehmen. Dann schaffe dir wenigstens die finanzielle Belastung durch den nicht gezahlten Unterhalt vom Hals. Vielleicht macht das dein Leben ein klein wenig leichter.
Deinem Sohn und dir wünsche ich alles Gute und drücke euch die Daumen, dass die Situation bald leichter für euch wird und ihr wieder mit Zuversicht und Gelassenheit in die Zukunft schauen könnt.
Wenn du über Trennung nachdenkst oder bereits getrennt bist und Kinder unter 7 Jahren hast, dann solltest du unbedingt dieses Video anschauen.
In dem Video erfährst du 3 wichtige Dinge:
- Weshalb die 3 gängigen Umgangsmodelle Residenzmodell, Wechselmodell und Nestmodell nur als grobe Richtschnur dienen können.
- Weshalb Kleinkinder und Vorschulkinder bei der Trennung der Eltern besondere Begleitung brauchen.
- Weshalb der Satz „Die Kinder leiden am meisten“, unreflektierter Bull*it ist.
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