Die Blogparade: Bildschirmzeit von Kindern – so denke ich darüber habe ich erst entdeckt, nachdem ich meinen Artikel bereits geschrieben hatte.
Auch wenn es hier insbesondere um das Thema „Das erste Smartphone für Kinder“ geht, denke ich er passt dennoch zur Blogparade.
Wie Kinder auf die Nutzung von Bildschirmmedien reagieren ist individuell sehr unterschiedlich. Es gibt Kinder, die nach einer halben Stunde Fernsehen entspannt sind und leicht ins Spiel finden.
Es gibt aber auch Kinder, die danach völlig durch den Wind sind und erstmal lange brauchen, sich zu regulieren, wenn sie dies überhaupt schaffen.
Aber nun zum Thema Kinder und Handy. Spätestens mit dem Übergang zur weiterführenden Schule beschäftigen sich Eltern mit der Frage, ob ihr Kind ein eigenes Smartphone bekommen wird oder nicht.
Was, wenn das eigene Kind das einzige Kind ohne internetfähiges Handy ist? Lies weiter und erfahre wie ich plane, das Thema anzugehen und weshalb.
Kein Smartphone ab der fünften Klasse
Meine Tochter wird demnächst 11 Jahre und wird wahrscheinlich bald das einzige Kind ihrer Klasse ohne eigenes Smartphone sein.
Wie lange ich das durchhalte, keine Ahnung. Aber ich stelle mir vor, dass der Stress, den wir aufgrund fehlender Regulationsfähigkeit haben würden kräftezehrender wäre, als der Stress, den die zu erwartenden Diskussionen auslösen werden.
Wer kennt sie nicht, die Argumente wie: „Aber alle haben ein Handy, nur ich nicht!“
Hast du dir mal bewusst gemacht, was es bedeutet, ein eigenes Smartphone zu haben?
Wir geben damit unseren Kindern das Internet in die Hosentasche.
Somit auch all die Vorteile, die so ein Gerät mit sich bringt. Aber eben auch, all die Informationen zu den Geschehnissen auf der Welt.
Wir ermöglichen ihnen Zugang zu Bildern, die wir selbst kaum verkraften und zu Menschen, denen sie ohne Social Media nie begegnen würden.
Fear of Missing Out
Die Angst, etwas zu verpassen, kennen viele Eltern. Schließlich soll das eigene Kind nicht zum Außenseiter werden.
Alle Kinder scheinen spätestens mit dem Übergang zur weiterführenden Schule ein eigenes Smartphone zu bekommen.
Und wenn alle es tun, wieso nicht?
Wenn wir einmal ehrlich zu uns sind, spüren wir mit großer Wahrscheinlichkeit, dass digitale Medien und das Smartphone ganz besonders sehr viel Stress in unser Leben bringen. Hast du dir mal überlegt, wieviel Zeit dieses kleine Ding, das dir das Internet in die Hosentasche zaubert, so am Tag frist?
Mein durchschnittlicher Medienkonsum liegt bei über drei Stunden.
Meine FOMO (Fear of missing out) sieht etwas anders aus, als die der meisten Eltern.
Ich habe Angst, dass mein Kind etwas verpasst, wenn ich ihm ein Smartphone zur Verfügung stelle, obwohl es noch lange nicht reif dazu ist.
Nämlich, dass es wichtige Erfahrungen verpasst, die Kinder und Jugendliche in der echten Welt machen müssen, um zu gesunden, sozial verträglichen und resilienten Menschen heranzuwachsen.
Smartphones verdrängen echtes Spiel, das Kinder und Teens unbedingt für ihre Entwicklung brauchen, noch weiter aus ihrem Leben.
Lange schon hat das Spiel wenig Raum im Leben sehr vieler Kinder. Das eigene Smartphone beschleunigt das Verdrängen von echtem Spiel mit echten Kindern in der echten Welt.
Das Problem an der Sache:
Wenn alle Freund*innen meiner Tochter mit Smartphones beschäftigt sind, mit wem kann sie sich dann noch verabreden und spontan treffen, um Dinge zu unternehmen, die Kinder und Jugendliche üblicherweise so unternehmen.
Ja, aber sie brauchen das Smartphone für die Schule
Bullshit!
Sagt wer genau? Werden Hausaufgaben darüber geteilt oder Unterrichtsänderungen?
Kann die App dazu vielleicht auf dem Handy eines Elternteils zur Verfügung stehen? Kannst du vielleicht sogar mit anderen Eltern oder der Schule in Kontakt treten, um diese Praxis in Frage zu stellen?
Auswirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit
Hast du schon mal gemerkt, dass deine Konzentrationsfähigkeit unter der Anwesenheit eines Smartphones leidet?
Also ich merke das regelmäßig. Die einfach zu konsumierende Ablenkung ist ständig präsent. Sobald ich auf einen etwas schwierigere Ausgabe stoße, klicke ich mich mal kurz ins Internet, um mich abzulenken und zu entspannen. Vermeintlich zu entspannen.
Meist weiß ich hinterher nicht mehr, was ich eigentlich tun wollte und bin alles andere als entspannt.
Wie sollen unsere Kinder schaffen, was wir als Erwachsene nicht mal schaffen.
Wie sollen sie ihre Hausaufgaben machen, die sie vielleicht überhaupt nicht interessieren und sie viel zu sehr anstrengen, wenn ein kleiner Dopamin-Kick direkt neben ihnen Alarm schlägt?
Potentielle Auswirkung auf das Selbstwertgefühl
Bist du dir schon mal weniger attraktiv/schlau/erfolgreich/talentiert vorgekommen, als die Influencer*innen, denen du seit einiger Zeit folgst? Hast du dich schon mal gefragt, wieso er oder sie das alles schaffen, nur du nicht?
Hast du dich mal gefragt, welchen Einfluss der Konsum bestimmter Inhalte auf dein Selbstwertgefühl haben? Welchen Einfluss kann Social Media zum Beispiel auf heranwachsende Mädchen haben?
Selbstregulation mit Smartphone
Leider bin ich nicht strukturiert genug, um hier Studien anzuführen. Aber die findest du ganz sicher über Google. Oder bestelle dir einfach “Generation Angst” von Timothy Haidt. Auch wenn der Autor zurecht sehr umstritten ist und sein Stil nicht meiner ist, lohnt sich das Buch. Es einfach als Panikmache abzutun ist vielleicht zu einfach.
Gestern war ich bei einem Austausch zum Thema Medien, bei dem Eltern ihre Anliegen und Fragen anbringen konnten. Alle hatten diese eine Frage:
“Wie kann ich meinem Kind dabei helfen, seinen Smartphone- Konsum zu regulieren?”
Meine Antwort darauf:
Wenn alle Kinder und Jugendlichen ein Problem damit haben, ihre Nutzung des Smartphones zu regulieren, dann sind sie ganz einfach noch nicht reif dazu.
Diese Regulation können sie auch nicht lernen. Ihr Gehirn ist noch nicht ausgereift, sodass eine Selbstregulation oft schwer fällt.
Diese Fähigkeit ist eine Frage der Gehirnreife und nicht des Übens oder Lernens.
Wenn ein Kind ein Smartphone bekommt, braucht es Regeln und ganz sicher Begleitung und Unterstützung, damit die Nutzung nicht ausartet.
“Du verteufelst Smartphones”
Höre ich viele jetzt denken, sagen oder sogar schreien. Nein, absolut nicht.
Ich liebe die Möglichkeiten, die diese kleinen Dinger uns geben. Ich sehe aber gleichzeitig, wie schwierig es ist, nicht im Sumpf des Internets zu versacken und dabei zu vergessen, was wir eigentlich Gutes mit dem Teil machen wollten.
Unsere Kinder brauchen hier klare Strukturen, ganz viel Unterstützung und hin und wieder ganz sicher auch Einmischung.
Kinder müssen den Umgang so früh wie möglich lernen
Warum genau? Weil sie hinterher nicht in der Lage sind, die Dinger zu bedienen?
Smartphones sind so intuitiv, dass sogar Dreijährige den Weg zur Lieblings-App schon finden. Glaubst du echt, dass sie die Nutzung früh lernen müssen?
Ich war fast 30, als ich mein erstes Smartphone kaufen musste. Und was soll ich sagen? Ich kann alles damit machen, was ich möchte und habe nicht den Eindruck, dass ich zu alt war, es zu kapieren.
Das Argument hinkt. Ich spreche hier von einem eigenen Smartphone, nicht von digitalen Medien im Allgemeinen.
Meiner Meinung nach spricht nicht viel gegen einen Familiencomputer im Wohnzimmer oder vielleicht sogar ein Familien-Smartphone, um Kinder langsam und gut an digitale Medien heranzuführen.
Smartphone als Belohnung
Was ich echt krass finde, ist, dass die Nutzung des Smartphones als Belohnung oder der Entzug als Bestrafung genutzt werden. Das suggeriert doch den Kindern, dass die Smartphone-Nutzung das Highlight ihres Lebens ist.
Das erstrebenswerte Ziel. Wenn ich jetzt schön zum Sport gehe, darf ich nachher am Handy zocken. What!!!???
In immer mehr Familien wurde das Smartphone zu einem zentralen Bestandteil, das für ständige Diskussionen und Streitereien sorgt.
Sollte nicht ein Schwimmbadbesuch oder das Treffen mit Freunden oder andere Begegnungen mit Menschen im Mittelpunkt stehen?
Was Kinder alles nicht machen, wenn sie ständig am Smartphone hängen
Da fällt mir wirklich vieles ein. Meine Tochter und ich leben hier bisher in einer mehr oder weniger “heilen Welt”. Wir wohnen in einer Wohnung, die von vielen anderen Wohnungen umgeben ist, in der es viele Kinder zum spielen gibt.
Der Wald ist direkt vor der Tür und einen Spielplatz gibt es auch.
Es gibt aber sicher viele Kinder, die weniger draußen unbeobachtet spielen, ohne ein Smartphone dabei zu haben. Wie sieht es aus mit Sportvereinen, Musikinstrumenten und Handarbeit?
Dennoch habe ich auf dem Abschlussfest miterlebt, wie sich acht Mädchen um ein Mädchen mit Smartphone gruppierten um darauf zu starren. Immerhin taten sie es gemeinsam. Allerdings hätten sie auch ganz sicher eine bewegungsintensivere Beschäftigung gefunden, wäre das kleine Gerät nicht anwesend gewesen.
Das ist auch die Kritik, die ich an Medien generell habe. Es geht nicht darum, dass Medien an sich das Problem seien.
Es geht darum, was sie eventuell verdrängen. Nämlich eine Kindheit, die auf Spielen basiert. Ist dies nicht der Fall, können Medien eine tolle Ergänzung sein.
Die Stunden, in denen ich heimlich bei Oma hinter der Couch lag, um auf ihrem schwarz-weiss Fernseher „Bonanza“ zu schauen, gehören genauso zu meinen Kindheitserinnerungen wie die vielen Stunden, in denen ich mit anderen Kindern durch die Natur gesteift bin.
Medien werden zum Problem, wenn sie einer der Hauptbeschäftigungen werden. Und machen wir uns nichts vor. Sechs Stunden und mehr sind schon bei Kindern keine Seltenheit.
Zuletzt habe ich dies auch in meinem eigenen Alltag gemerkt. Nun kontrolliere ich meine Bildschirmzeit und gehe wieder ohne Stöpsel im Ohr auf meine Morgenrunde im Wald.
Wie sollen wir denken, wenn wir rund um die Uhr beschallt werden. Wie soll etwas aus unseren Kindern herauskommen, wenn sie rund um die Uhr konsumieren?
Direkte Interaktion mit Menschen bleibt auf der Strecke
Anderen Menschen in die Augen schauen. 1:1 Unterhaltungen führen und vielleicht auch mal streiten und eine Lösung finden.
Bist du schon mal an einem Schulhof vorbeigelaufen, auf dem Smartphones erlaubt sind?
Da zeigt sich ein anderes Bild. Kinder schauen gemeinsam auf einen kleinen Bildschirm und sich selten gegenseitig ins Gesicht.
Eigentlich reicht es schon, mal Bus oder Bahn zu fahren. Wie traurig ist es, dass niemand mehr mit niemandem spricht? Ja, vielleicht übertreibe ich…obwohl, nein, nicht wirklich.
Wenn ich mit meiner Tochter unterwegs bin und mit ihr spreche, mischen sich regelmäßig Menschen in unser Gespräch ein, die offensichtlich froh sind, einen Anknüpfungspunkt zu haben.
Wir alle brauchen Kontakt mit Menschen. Echten Kontakt und ein Gefühl der Verbundenheit. Das Smartphone kann dabei helfen, wenn wir es zum Beispiel dafür einsetzen, mit Oma und Opa zu telefonieren.
Allerdings hat ein Smartphone sehr viele Einsatzmöglichkeiten, die uns eine echte Verbindung verwehren.
Weitere Aspekte rund um die Smartphone-Nutzung von Kindern
Es gibt noch so viele weitere Aspekte, die ich vielleicht in weiteren Artikeln aufführen werde.
Jonathan Haidt zeigt in seinem Buch “Generation Angst” den Zusammenhang zwischen der Zunahme von psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen und der Nutzung eines Smartphones. Die Erkenntnisse daraus sind gravierend und gehören ernst genommen.
Mir ist immer noch nicht ganz klar, weswegen viele die Anschaffung eines Smartphones mit 10 Jahren sinnvoll finden. Wieso nicht mit 14 oder 15? Welche konkreten Gründe gibt es dafür?
Ein Handy ohne Internetzugang würde doch in den meisten Fällen das tun, was es soll. Menschen in Kontakt bringen und ihnen erlauben, sich zu verabreden, für ein echtes Treffen.
Mich interessiert sehr deine Meinung. Wie handhabt ihr das mit der Smartphone-Nutzung in eurer Familie? Welche Erfahrungen hast du gemacht? Gibt es manchmal Streit und Diskussionen rund um die Nutzung des Smartphones?
Alle Eltern, die ich kenne, regen sich über Kinder, die ständig und überall auf ihr Smartphone starren, auf. Dabei sind wir Erwachsenen diejenigen, die dies ändern können. Wir sind die Menschen, die unseren Kindern den Raum schaffen können, damit sie sich gut und in ihrem Tempo entwickeln können.
Dazu ist echtes Spiel unverzichtbar.
Kleiner Exkurs in eine persönliche Erfahrung:
Vor ein paar Tagen war mein Neffe (gerade 12) zu Besuch. Sein Smartphone hat er vor einem Jahr bekommen. Er hat darauf 60 Minuten Internetzugang am Tag. Was soll ich sagen?
Morgens kamen wir ins Wohnzimmer und er saß bereits da und spielte am Handy herum. Mittags wurde das Gerät in die Hand genommen, sobald es eine Minute Leerlauf gab. Auf dem Spielplatz war der Lückenfüller dabei und im Mitmachmuseum. Es hat beim Klettern gestört und ist beim Springen ständig auf den Boden gefallen. Ständig musste geschaut werden, ob es noch da ist.
Ohne Handy wären die Kinder morgens wahrscheinlich ins Zimmer verschwunden, hätten Pläne gemacht oder wären in den Wald gegangen. All das ist nicht passiert, Dank Smartphone. Es wurde erwartet, dass ein Programm geboten wurde und wenn es dieses nicht gab, sollte das Handy die Langeweile vertreiben.
Dieses kleine Gerät hat für so viel Diskussion und Frustration gesorgt, dass ich in meiner Entscheidung, mit einem eigenen Smartphone für meine Tochter noch zu warten, bestärkt hat.
Wieso tun sich Eltern diesen Stress an? Warum?
Wie handhabt ihr das? Sorgt das Thema Medien bei euch manchmal für Streit und Stress? Oder alles easy?
Wann ist mein Kind denn nun alt genug für ein eigenes Handy?
Tja, eine Pauschallösung gibt es nicht. Ich glaube, dass du ganz gut weißt, wann dein Kind reif genug dafür ist. Nur weil alle Kinder ein Smartphone in der fünften Klasse bekommen, bedeutet das nicht, dass sie alle reif dafür sind.
Ich habe im Gefühl, dass es für meine Tochter vielleicht die 7. Klasse sein wird. Bis dahin darf sie weiterhin mein Handy benutzen oder ich kaufe ein Familienhandy, das zu Hause bleibt und zu dme alle Zugang haben.
Egal, wie du dich entscheidest, eine Sache ist klar. Dein Kind braucht deine Begleitung beim Erlernen des Umgangs mit der digitalen Welt.
Liebe Andrea,
ich danke dir sehr für diesen spannenden Artikel! Deine Gedanken sind für mich absolut nachvollziehbar. Auch bei unseren zwei großen Kindern war das Handy ab der 5. Klasse „normal“. Und ja: Das Spielen hat sich dadurch sehr verändert, auch wenn es Regeln und Bildschirmbegrenzungen gibt.
Herzliche Grüße
Wiebke
Ein sehr, sehr guter Artikel, dem ich nur zustimmen kann.
Ich habe ihn direkt mal an meinen ExMann weiter geleitet – er möchte unserem Sohn zu Weihnachten das erste Handy schenken; mit 9,6 Jahren in der dritten Klasse.
Mir fehlen da echt die Worte.
Danke für dein Feedback. Ich hoffe, dass der Vater und du auf eine Einigung kommt, die für alle passt. Weißt du denn, was hinter dem Vorhaben steckt? Geht es dem Vater darum, seinen Sohn erreichen zu können oder möchte er einfach durch das tolle Geschenk gut dastehen? Was steckt dahinter? Vielleicht lässt sich dies auch auf anderem Weg erreichen? Den ständigen Stress und die Diskussionen mit dem Kind wegen des Handys wirst ja wahrscheinlich du haben.