Kennst du das? Alle scheinen einen Ratschlag parat zu haben und bei allen Familien läuft es runder, besser, leichter, einfacher.
Ich kenne das sehr gut, wobei das mit den Ratschlägen mittlerweile viel weniger geworden ist.
Mein Kind ist 10. Als sie noch kleiner war, gab es weitaus mehr Einmischungen in unseren Alltag und in unser Leben.
Mittlerweile kenne ich uns beide ganz gut und weiß welcher Weg ein guter für uns ist.
Zumindest bin ich selbstbewusst genug, mich auf den Weg zu machen und einen für uns Richtigen zu finden.
Wie so vieles in der Mutterschaft, ist auch das ein längerer Prozess und bedarf ständiger Anpassungen.
Mit 10 Jahren kann meine Tochter da auch schon ganz gut ihre eigenen Ideen mit einbringen.
Trotzdem habe ich oft noch das Gefühl, dass vieles bei anderen Familien einfacher ist.
Und wenn ich ehrlich auf unsere Situation blicke, dann ist das auch so.
Fast alles war schon immer herausfordernd. So vermeintlich einfache Dinge wie Einschlafen oder Socken kaufen, die beim Tragen nicht stören. Von Zähneputzen und Fingernägel schneiden, mal gar nicht zu sprechen.
Wir waren ganz schön erfinderisch und flexibel in den ersten Lebensjahren.
Immer die Hoffnung im Rücken, dass es mit der Zeit leichter würde.
Leichter wurde es nicht. Die Herausforderungen haben sich verändert und ich bin gereift. Deswegen auch damals der Name meiner Seite “mit-kindern-reifen.de”
Denn das ist es am Ende. Wenn wir Kinder begleiten wollen, dann müssen wir unsere eigenen Themen anschauen und uns weiterentwickeln.
Schaue ich auf meine Kindheit und Jugend, dann darf ich feststellen, dass es auch damals schon so war, dass bei uns vieles nicht so rund lief wie bei anderen.
Gerade in der Pubertät wurde vieles schwierig zu Hause, vor allem ich selbst.
Oha, wenn ich daran denke und an die Tatsache, dass mir diese Phase mit meiner Tochter noch bevorsteht, wird mir Angst und Bange.
Wobei ich die Hoffnung hege, dass durch die vielen Herausforderungen, die wir bereits gut gemeistert haben, die Pubertät ein Klacks werden wird.
Vor allem, weil ich es geschafft habe, auf die Beziehung zu fokussieren und mir meistens sicher bin, dass sie uns durch alles tragen wird, was da noch so kommt.
Als ich jung war, dachte ich noch, dass es an mir lag. Wahrscheinlich war ich auch oft der Auslöser dafür. Ich ließ Türen knallen und ließ meine Wut nicht selten an meiner Mutter aus.
Hielt mir die Ohren zu, wenn mit mir gesprochen wurde und ließ kaum etwas an mich rankommen. Wenn mir alles zu viel wurde, nahm ich meine Flöte zur Hand und flötete, bis es mir besser ging.
Im Nachhinein betrachtet hatte ich Glück, dass meine Eltern nie etwas persönlich genommen haben oder mit Strafen reagierten.
Das Credo zu Hause, soweit ich mich erinnern kann: “Auch diese Phase geht vorbei.”
Das hat mir damals vielleicht nicht geholfen, aber es hat keinen zusätzlichen Schaden verursacht und hat dazu geführt, dass ich mich entwickeln konnte und trotz meines manchmal wirklich ungewöhnlichen und anstrengenden Verhaltens ein festes Fundament bekommen habe, auf das ich aufbauen durfte.
Nur sah unser Alltag vor 40 Jahren ganz anders aus als der Tagesablauf heutiger Kinder.
Die Schule war Nebensache und meistens um 12 oder 13 Uhr vorbei. Den Rest des Tages konnten wir uns draußen bewegen und uns auspowern, ohne dass wir uns kompliziert dafür verabreden mussten.
Meine Wurzeln und mein starkes Urvertrauen haben dafür gesorgt, dass ich meinen Weg gehen durfte.
Auch wenn ich mir oft anders vorkam und mich meist als Außenseiterin gefühlt habe.
Meine innere Unruhe konnte ich gut verbergen und außer zu Hause kamen meine überlaufenen Emotionen auch selten zum Vorschein.
Vielleicht später in meinen Beziehungen. Ja.
Meine Impulsivität und Ideenreichtum konnte ich im Laufe der Jahre als Stärke wahrnehmen, die mir nur hin und wieder den Tag versaut.
Ich hatte viele Freiheiten und auch mein Studienabbruch, nach nur ein paar Wochen, nahm mir niemand übel.
Die Berufsausbildung, die nach 2 Jahren zu Ende war, passte besser zu mir als das jahrelange Studium, ohne Struktur und Rahmen.
Danach konnte ich auf Reisen meinen Impulsen und meinem Drang nach Freiheit freien Lauf lassen.
Mein Lebenslauf ist kunterbunt und genauso passt es zu mir. Alles andere fühlte sich an wie eingesperrt sein.
Auf meinem Weg ins Erwachsenenleben habe ich das Schreiben für mich entdeckt.
Ich habe unzählige Tagebücher, die alle von der inneren Unruhe berichten. Von dem Drang, ständig was Neues zu machen und dem Gefühl, anders zu sein. Anders zu ticken und dadurch das Gefühl von Einsamkeit zu kennen.
Inmitten von Menschen und trotzdem einsam.
Im Rückblick denke ich, das Schreiben hat mir wichtige Dienste erwiesen, ist es doch schon lange mein emotionaler Spielplatz.
Tja und so steh ich nun an der Stelle der Mutter und wundere mich, weshalb bei uns so vieles so anders läuft als bei anderen.
Langsam verliere ich den Glauben daran, dass alles eine Frage der Reife ist. Und trotzdem bin ich froh, meinem Kind in den ersten Lebensjahren den sicheren Rahmen, der zum Reifen gebraucht wird, gegeben zu haben.
Nur kann ich heute zurückblicken und mich fragen, was ich damals gut gebrauchen hätte können.
Als ich Schülerin war, war von Neurodivergenz noch keine Rede.
Es gab ein paar unruhige, laute Jungs, die abfällig mit ADHS betitelt wurden und deren Verhalten auf das Erziehungsverhalten der Eltern zurückgeführt wurde.
Aber Mädchen hatten sowas nicht, sie haben früh gelernt, sich anzupassen. Nachdem ich in meinem ersten Zeugnis als “vorlaut” und “störend” betitelt wurde, war ich still. Sehr still, zumindest außer Haus.
Erst in der Berufsfachschule, mit 20 Jahren, mischte ich wieder mit und diskutierte, konfrontierte und wurde vor allem für den Ernährungsmittel-Lehrer ungemütlich.
Trotz meiner für viele nervigen Fragen und Einmischungen, meinte mein damaliger Rechnungswesen-Lehrer, ich solle so bleiben wie ich bin und meine kritische und analytische Seite nie wieder verstecken.
Heute wissen wir viel mehr und es gibt alle möglichen Anlaufstellen.
Denn, eine Sache, die ich unbedingt vermeiden möchte, gibt es. Meine Tochter soll sich niemals schuldig oder falsch fühlen, sich verstecken oder dauernd verstellen.
Wie uns das gelingen soll, weiß ich allerdings noch nicht. Es ist einfach so oft so herausfordernd und natürlich bekommen Kinder das mit, ob wir wollen oder nicht.
Am Ende ist auch dies ein Weg, der über abschiede führt. Abschied von dem, was hätte sein können. Und Willkommen heißen von dem, was ist. Demnächst vielleicht mehr dazu.
Schon verrückt, wie sich so vieles wiederholt.
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