Frau nachdenklich, Abstand vom Alltag, Alleinerziehende auf der Suche nach Leichtigkeit

Funktionieren – aber bitte mit einem Lächeln

Seit Monaten bin ich total blockiert. So vieles, das mir im Kopf herumgeht. Die vielen Termine, Themen, Anforderungen, die organisiert werden sollen. Die endlosen Aufgaben zu Hause, die unsichtbare Last. Darf ich das überhaupt so nennen? Wahrscheinlich nicht. Freuen sollen wir uns, wir Mütter. Alles easy peasy und alles wird gut. Schließlich arbeiten die meisten von uns Müttern ja immer noch nicht genug.

 

Bequeme Hoffnung reicht nicht mehr

Bequeme Hoffnung” nennt Luisa Neubauer diese Einstellung in ihrem Buch “Was wäre, wenn wir mutig sind?”, die viele Menschen angesichts des menschengemachten Klimawandels einnehmen. Es würde schon alles gut werden, ganz ohne, dass wir unser Verhalten irgendwie ändern müssten.

Dabei sprechen alle Fakten dagegen. Eindeutig!

Eine „unbequeme Hoffnung“ bräuchten wir, schreibt die Autorin im gleichen Buch.

Und tatsächlich: Das trifft ganz sicher nicht nur auf den Klimawandel und den Zustand unserer Welt zu.

Auch was die Gleichberechtigung von Frauen und den Umgang mit Alleinerziehenden angeht, könnte ein wenig unbequeme Hoffnung nicht schaden.

 

Für später – irgendwann

Doch ich struggle wie so viele andere Mütter zwischen Beruf und Familienalltag, …immer mit dabei: mein eigenes Päckchen im großen unsichtbaren Rucksack.  Für später. Später ist Zeit zum Aufarbeiten, zum Regenerieren und zum Ich werden und sein.

Wann und wie etwas bewegen, während ich so in den kleinen und großen Anforderungen des Lebens verstrickt bin? Kein Wunder, dass ich hier und da zu hören bekomme: „Das wird schon, alles geht vorbei und dann…”

Ja, und dann was? Wenn wir aus dem Gröbsten raus sind, dann ist es uns egal, dass die Frauen nach uns noch mittendrin stecken? “Nach mir die Sinnflut”, meinte kürzlich eine entfernte Bekannte zu mir, als wir über die Zerstörung unserer Lebensgrundlage sprachen. Eine Einstellung, die ich weder verstehen, noch ignorieren kann. Denn unser Handeln beeinflusst ALLE, die nach uns kommen. ALLE!

 

Das Leben danach?

Ja, und was kommt dann? Dann hole ich alles nach? Oder dann arbeite ich gegen die Altersarmut an und versuche, das Defizit, das ich durch die jahrelange Teilzeitarbeit aufgebaut habe, aufzuholen?

Fängt dann etwas das Leben an? Das Wahre? Nachdem schon mehr als die Hälfte der Lebenszeit verstrichen ist?

Wann fängt das Leben an? Sind wir nicht die ganzen Jahre schon mittendrin. Mit Mitte 40 sind wir langsam aber sicher näher am Ende als am Anfang.

Eine Errungenschaft der letzten Jahre, auf die ich wirklich stolz bin: Nicht mehr auf später warten, jetzt leben. Der Haushalt bleibt immer öfter liegen und ich entscheide sehr viel öfter bewusst, womit ich meine Zeit verbringe. Beine hochlegen und ein Buch lesen kann ich mittlerweile. Aber das ändert eben nichts an den grundlegenden Problemen, mit denen wir Alleinerziehenden tagtäglich konfrontiert sind.

 

Wo ist sie hin, die Leichtigkeit?

Bloß nicht umfallen, denken sich viele Alleinerziehende - zwischen Funktionieren und Leben, Hände stemmen sich gegen den schiefen Turm von Pisa und versuchen die Last zu halten

Ich vermisse die Leichtigkeit, die ich immer dann verspürte, wenn ich mir mit meinem schweren Trekkingrucksack beladen die Bahnhofsluft um die Nase wehen ließ. Damals, unendlich viel Zeit und unendlich entspannt. Selbst der dritte ausgefallene Zug konnte mir nichts anhaben. Spaghetti zum Frühstück? Why not! Wo ist diese verdammte Leichtigkeit hin? Und warum!

 

Frei genug für Klarheit, gefesselt genug für Ohnmacht

Oft schleicht sich dieses Gefühl an, das in meinem Kopf das Bild von Handschellen entstehen lässt. Frei genug, um zu erkennen, was fehlt. Aber zu gebunden, um wirklich etwas zu verändern. Ist das nur die bequeme Hoffnung, die mir hier im Weg steht? Schließlich werden Kinder größer und damit auch wieder die Räume für mich selbst.

Auf die Frage, welche Hobbys ich habe, musste ich letzte Woche noch herzhaft lachen. Und sowieso, die Antwort auf die Last, die viele Frauen tragen, kann nicht Selbstfürsorge und Hobbys sein. Denn das lenkt wieder nur vom eigentlichen Problem ab.

Gegen “Emotionale Last”, “Mental Load” und Trillionen von Aufgaben hilft eine Stunde Yoga ganz bestimmt nicht. Meditation auch nicht und ein Spaziergang im Wald, bei dem die Autobahngeräusche lauter als die Vögel sind, sowieso nicht.

So viele Ideen, so wenig Klarheit und noch weniger Zeit und Energie.

 

Von denen da oben – und uns hier unten

Während ich mich hier mit meiner Verzweiflung der Tastatur zuwende, schreien ein paar alte Männer da oben in die Welt, dass wir da unten mehr arbeiten müssten. Im Vorbeigehen höre ich die Nachrichten und mein Zeit- und Energielevel reicht gerade noch dafür, müde die Augen zu verdrehen.. Mehr ist nicht drin.

Dabei weiß ich genau, was es eigentlich braucht. Augenverdrehen hat noch nie etwas geändert. Und trotzdem halten wir Tag für Tag alles am Laufen. Versorgen unsere Kinder, sorgen dafür, dass sie einigermaßen pünktlich und einigermaßen der Jahreszeit entsprechend gekleidet da ankommen, wo sie ankommen sollen. Jetzt kommt auch wieder die von mir verhasste Sonnencreme-Zeit. Ein weiteres To-Do auf meiner Liste. 

Lächeln, während wir einen Job machen, bei dem wir uns schon lange fragen, wo der Sinn dahinter ist, der uns aber nun mal ernährt.

 

Keine Pointe, kein Ratgeber-Ende

Tja, keine Pointe. Keine Lösung. Keine Handlungsanweisungen. 

Verbindung würde glaube ich helfen. Also lass gerne einen Kommentar da. Vielleicht geht es ja nicht nur mir so. Oder schreibe mir eine Mail und wir tauschen wenigstens unsere Gedanken aus.

 

P.S.: Es liegt nicht an den Kindern

Nur nochmal zur Klarstellung:
Das alles hat überhaupt nichts mit unseren Kindern zu tun.
Es liegt an den Strukturen, die Eltern in unserer Gesellschaft vorfinden.
Es liegt an der fehlenden Unterstützung und der finanziellen Situation von Alleinerziehenden.

Kein Kind ist je das Problem.
Die Probleme liegen im Außen – und wir Mütter strampeln und kämpfen, um unseren Kindern eine glückliche Kindheit zu bescheren.

Also bitte: Kommt mir nicht mit „Aber du wolltest es doch so.“

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