Immer wieder stolpere ich über den Medienkonsum von Kleinkindern und Kindern. Und immer wieder wird mir angst und bange, denke ich an die Zukunft.
Läuft ein 8-Jähriger mit gesenktem Blick an mir vorbei, ohne auch nur zu merken, dass er gerade an jemandem vorbeiläuft, dann mache ich mir doch Sorgen.
Spielt ein Teenager im Garten Fußball, während er in einer Hand sein Handy hat, auf das er zwischendurch immer mal wieder schaut, auch dann zweifle ich daran, dass wir unseren Kindern eine sinnvolle Nutzung näherbringen können.
Fragt ein Vater auf dem Spielplatz einen anderen Vater: „Sag mal, hast du hier auch so schlechtes Netz?“, während eine Mutter aus ein paar Metern Entfernung ruft: „Ja ich habe auch nur 3 G!“ dann platze ich innerlich vor Verzweiflung.
Übertreibe ich? Sehe ich die Mediennutzung von uns Eltern zu eng?
Das „Früher-war-alles-besser-Gerede“ geht mir auch auf die Nerven.
Dennoch wünsche ich mir manchmal das alte grüne Telefon mit Drehscheibe herbei, das in Omas Flur stand und der ganzen Familie gehörte.
Jeder konnte übrigens hören, was gesprochen wurde.
Die Verbreitung von digitalen Endgeräten verlief so rasend schnell, dass ich oft Überforderung auf vielen Seiten spüre.
Auch mein Konsumverhalten zeigt in dieser Hinsicht einen Hauch von Suchtverhalten. Wie sollen denn unsere Kinder mit der ständigen Verlockung durch Handy, Tablet & Co. zurechtkommen?
Wie sollen sie Langeweile aushalten, wenn unterhaltsame Beschäftigung nur einen Knopfruck entfernt ist?
Zu dem Thema gibt es einiges zu sagen. Heute habe ich mir mal Gedanken gemacht, wann wir unseren Kindern eigentlich diese Dinger in die Hand geben.
In welchen Situationen. Meine Tochter ist nun fast 4.
Und bevor ich mir über den Medienkonsum Gedanken gemacht habe und bevor ich merkte, wie aufgedreht bettelnd sie nach den Dingern verlangt gab ich ihr das Handy zum Beispiel während des Zähneputzens.
So war sie abgelenkt und ich konnte ihre Zähne putzen. Dass es aber auch andere Wege gibt, kleine Kinder für etwas zu gewinnen, habe ich ignoriert.
Es war so viel einfacher, sie mit dem Handy „zu bestechen“. Und das ist auch ok. Manchmal ist die Ablenkung mit dem Handy einfach das kleinere Übel.
Heute darf sie es noch beim Haare föhnen haben. Durch diese strikte Ansage erspare ich mir ständige Diskussionen.
Auch ich lege mein Handy weg wenn ich Zeit mit ihr verbringe, was eigentlich jeden Tag nach 14 Uhr bedeutet.
Bei Autofahrten haben wir als Kinder früher Spiele gespielt, Hörspiele gehört und bestimmt genauso gejammert wie das Kinder heutzutage tun. Es war eine Zeit der Interaktion in der Familie.
außerdem sind das die Situationen, in denen meine Kleine mit Themen ankommt, die sie offensichtlich seit Wochen beschäftigen.
Die besten Gespräche habe ich mit meinem Kind beim Autofahren.
Die routinierte Nutzung von Medien im Auto würden diese Momente stören.
Was machen nun viele Eltern?
Sie stellen die Kleinen mit dem Konsum irgendwelcher Medien ruhig. Klar, macht das die Autofahrt ruhiger, aber was enthalten wir dem Kind damit vor?
Machen wir nicht nur unseren Alltag einfacher indem wir das Kind weiter mit Stimulierung ruhigstellen?
Gibt es nicht immer mehr und mehr Situationen, die eben nicht für Kleinkinder geeignet sind?
Restaurantbesuche, lange Pendelfahrten zwischen getrennten Elternteilen, lange Autofahrten zu den Großeltern, Eltern, die spät aufstehen wollen, etc.
Ich habe mir heute die Frage gestellt, ob wir es uns nicht manchmal ein bisschen zu einfach machen, nur um unsere Ruhe haben zu können?
Es ist ok, wenn Eltern es sich leicht machen. Gleichzeitig dürfen wir prüfen, ob dieses Leichtmachen langfristig mimt unseren Werten übereinstimmt.
Halten wir vielleicht den Übergang beim Kind von Langeweile zum kreativen Schaffen schlechter aus?
Haben wir vielleicht das Gefühl, das Kind immer irgendwie beschäftigen zu müssen?
Klar ist es verlockend, meiner Kleinen das Handy in die Hand zu drücken, nur um mal 2 Minuten meine eigenen Gedanken hören zu können.
Oder mal duschen zu können, ohne dass sie währenddessen das halbe Bad verunstaltet. Oder einfach mal einen Kaffee zu trinken ohne dabei ein Kleinkind auf mir herumturnen zu haben.
Ach, oder um mal nicht am Sonntagmorgen vor 6 Uhr aufstehen zu müssen…
Es gibt so viele Situationen, die mit Berieselung der Kinder viel bequemer sind.
Aber ist es richtig, dass wir uns erst eine Umgebung schaffen, die wenig kindgerecht ist und dann versuchen, das Kind mit neuen Hilfsmitteln dann doch irgendwie anzupassen. Egal um welchen Preis?
Ich frage mich eben immer wieder.
Was will ich für mein Kind? Will ich, dass es sich vorbildlich verhält und reinpasst, oder will ich, dass es sich selbst kennenlernt und sein menschliches Potential entfaltet.
Ich will ganz klar letzteres…und dafür brauchen Kinder nichts, das in sie hineingefüllt wird.
Sondern sie brauchen, Ruhe, Geborgenheit und Sicherheit, damit das, was sie sowieso in sich tragen beim freien Spiel nach außen kommt.
Den Weg zum freien Spiel zu finden, während man viel zu viele Informationen in sich aufsaugt, ist sehr unwahrscheinlich.
Deshalb habe ich für uns gemerkt, dass ein bisschen Langeweile und Gejammer hier und da okay ist und dass die Kleine nur so ihre Kreativität freisetzen kann.
Übrigens geht es mir genauso. Ich neige dazu, sehr viele Informationen aufzunehmen und zu lesen.
Mein Kopf ist voller Gedanken, die ich eigentlich gerne in die Welt tragen würde. Allerdings bin ich nach der ganzen Informationsflut gar nicht in der Lage, etwas nach außen zu bringen. Ich bin wie blockiert.
Durchaus sehe ich die vielen Vorteile, die die digitale Revolution mit sich bringt.
Doch was Kinder angeht, lebe ich eher nach der Devise: alles zu seiner Zeit.
Oder wie Gordon Neufeld sagt: „Everything has a season!“