Ich lese immer wieder Artikel darüber, wie Eltern mit der Schüchternheit ihrer Kinder umgehen. Es gibt dann unzählige Ratschläge und Beispiele dazu, wie man sich in bestimmten Situationen verhalten soll.

Alle 3 Tage kommt so eine Frage in einer der Facebook-Gruppen auf, in denen ich mitlese. Wer hat Zeit, sich 150 Kommentare durchzulesen?

Wäre es nicht viel einfacher, zu verstehen, was hinter dem Verhalten der lieben Kleinen steckt und die Antworten selbst zu finden?

Generell kann ich mit Ratschlägen im Hinblick auf den Umgang mit Kindern sehr wenig anfangen. Jede Situation ist anders, jedes Kind ist anders und jede Familie ist anders.

Was steckt also dahinter, wenn Kinder scheu sind? Und was ist der Unterschied zwischen Schüchternheit und Scheu?

 

 

Es sind immer die Eltern, die die Experten für ihr Kind sind.

 

Es ist mir viel wichtiger, zu verstehen, was hinter den verschiedenen Verhalten steckt.

Denn es gibt kaum ein Verhalten, das aus entwicklungspsychologischer Sicht keinen Sinn machen würde. Die Natur hat schon ganz gut für unsere Kinder gesorgt und sie mit den „richtigen“ Instinkten versorgt.

Schüchtern ist ja in unserer Gesellschaft ein meist negativ behaftetes Wort. Warum ist mir nicht so ganz klar. Auf das Verhalten, das von Eltern oft als schüchtern beschrieben wird, passt das Wort häufig auch nicht.

So hatten wir es letztens in einem Seminar davon, dass das richtige Wort eher Scheu sei.

Es gilt also unter Scheu und Schüchtern zu unterscheiden:

Ist mein Kind schüchtern, würde es etwas gerne tun, traut sich aber nicht. Vielleicht würde es gerne alleine auf den Kindergeburtstag gehen, ist aber etwas schüchtern und dadurch zurückhaltend. Vielleicht würde es im Unterricht gerne die Hand heben, traut sich aber nicht. Vielleicht würde es gerne ins Kinderturnen, braucht aber noch etwas Unterstützung?

In diesen Situationen reagiere ich anders, als wenn mein Kind ein scheues Verhalten zeigt.

 

 

Diese Scheu bei der Begegnung mit fremden Personen verfolgt einen ganz wichtigen Zweck.

 

Sie schützt bestehende Bindungen. Denn die Bindungen wachsen erst in die Tiefe, bevor sie dann nach und nach in die Breite wachsen. Die Wurzeln vertiefen sich erst in den ersten 6 Lebensjahren, meist mit einer Hauptbindungsperson, idealerweise Mutter oder Vater.

Bei dem Wort „Scheu“ kommt mir immer wieder das Bild der Wurstverkäuferin in den Sinn. Meine Kleine schaut noch heute weg und nickt nur leise auf die Frage, ob sie eine Scheibe Wurst haben möchte. Die Wurst nimmt sie mittlerweile mit ihren fast 5 Jahren selbst, aber „Danke“ sage noch immer ich zu der Frau hinter dem Tresen. Meine Tochter lässt keinen Blickkontakt mit der Frau zu und zeigt ein scheues Verhalten.

Und genauso sollte es sein! Denn ich bin ihre Hauptbindung und neue Bindungen werden bei unreifen Kindern durch bestehende Bindungen eingeführt.

Würde ich die beiden einander vorstellen und vertraut machen, würde ihr Verhalten anders aussehen.

Was bedeutet das für andere Situationen?

Zum Beispiel für die Eingewöhnung im Kindergarten oder den Besuch beim Arzt?

 

Es ist wichtig, dass erst ich eine Beziehung zu der für mein Kind neuen Person aufnehme und meinem Kind zeige, dass wir uns verstehen.

 

Erst dann lässt sich meine Tochter von der noch fremden Person ansprechen, ohne dass sie sich wegdreht.

Letztens waren wir extra bei einem Kinderzahnarzt. Die Zahnärztin ist direkt auf meine Tochter zugegangen, ohne mich überhaupt zu begrüßen. Der Zahnarztbesuch war gelaufen, bevor er begonnen hatte. Meine Tochter hat sich geweigert, den Mund zu öffnen.

Also gingen wir zu einer anderen Zahnärztin. Diese hat zuerst mich begrüßt und ein paar Sätze mit mir gewechselt, bevor ich meine Kleine vorstellte und zwischen den beiden vermittelte.

Das hat den ganzen Unterschied gemacht. Die Untersuchung lief ohne Probleme ab und ich war erleichtert.

Vor ein paar Monaten hat mich eine Freundin auf eine Feier eingeladen. Ich kam in den Raum, in dem bereits viele Menschen saßen. Ich kannte niemanden, bis auf meine Freundin. Instinktiv wartete ich darauf, dass sie mich vorstellen würde. Machte sie nicht. Nun bin ich ja kein Kleinkind mehr und kann das schon ganz gut alleine.

Trotzdem hat es sich falsch angefühlt. Es wäre viel einfacher gewesen, wenn meine Freundin mich in diese Gruppe eingeführt hätte. Auf jeden Fall hätte ich mich willkommener gefühlt und wahrscheinlich auch viel schneller Anschluss gefunden.

Mit dem Wissen über Bindung und den damit einhergehenden Instinkten fällt es mir immer leichter Antworten auf die unterschiedlichen Situationen in mir zu finden.

Es ist so beruhigend zu wissen, dass die Natur einen Plan hat und dass alle Verhalten meines Kindes einen Sinn haben und meist einen wichtigen Zweck erfüllen.

Wenn du über Trennung nachdenkst oder bereits getrennt bist und Kinder unter 7 Jahren hast, dann solltest du unbedingt dieses Video anschauen.

 



In dem Video erfährst du 3 wichtige Dinge:

  • Weshalb die 3 gängigen Umgangsmodelle Residenzmodell, Wechselmodell und Nestmodell nur als grobe Richtschnur dienen können.
  • Weshalb Kleinkinder und Vorschulkinder bei der Trennung der Eltern besondere Begleitung brauchen.
  • Weshalb der Satz „Die Kinder leiden am meisten“, unreflektierter Bull*it ist.

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