Schimpfen mit Kindern

Schimpfen lässt uns Eltern mit einem unguten Gefühl zurück. Eigentlich wissen wir, dass es sowieso nichts an der Situation ändert und dass wir unserem Kind Unrecht damit tun. Und trotzdem fällt es uns schwer, Erziehung ohne Schimpfen zu leben.

Gut gemeint sieht auf den ersten Blick nicht immer so erfreulich aus, vor allem wenn ein Kleinkind involviert ist. Kinder tun nichts mit einer bösen Absicht. Es lohnt sich, inne zuhalten und zu ergründen, weshalb es etwas getan hat. So gut wie immer steckt hinter dem Verhalten eine gute Absicht.

Erziehung ohne Schimpfen

Kinder wissen es in der Regel besser, können aber oft nicht danach handeln. Sie sind im Hier und Jetzt und vergessen auch schon mal, dass wir ihnen 15 Minuten zuvor bereits gesagt haben, sie sollen mit den Schuhen nicht an die weiße Wand treten.

In Situationen, in denen ich am liebsten anfangen würde, zu schimpfen, habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht einmal tief einzuatmen und inne zuhalten. Leider klappt das nicht immer. Hängt natürlcih auch davon ab, wie ausgeruht und entspannt ich gerade bin.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir versuchen, gut auf uns zu achten. Nur wenn auch unsere Bedürfnisse halbwegs beachtet werden, können wir ruhig und gelassen reagieren. Wenn es mir gelingt, erstmal ruhig zu bleiben, dann überlege ich zuerst.

Dabei spiele ich alle verschiedenen Variationen der Situation in meinem Kopf durch und überlege mir, was nun meine Kleine eigentlich vorhatte?

Ich bin immer wieder baff, wie häufig es vorkommt, dass eine wirklich liebe und einfache Absicht hinter dem Malheur steckte.

Heute gleich ein paar Situationen…und davon habe ich unzählige jeden Tag.

Situation 1:

Heute zum Beispiel, hat meine Tochter wie wild im Sand gegraben und dabei den Sand einem Mädchen volle Kanne ins Gesicht geschleudert. Sie hörte gar nicht mehr auf, bis ich sie unterbrechen konnte. Tiiiiiiiief einatmen….überlegen…dann: „Schaaaatz, was hast du denn vor?“ (nachdem ich mich bei dem anderen Mädchen entschuldigt, und den Sand von ihrem Pulli gefegt habe).

Meine Kleine schaut mich mit großen Augen an: „Mama, ich suche nassen Sand damit ich dir damit ein Eis machen kann.“

Noch vor einem Jahr hätte ich so reagiert: „nein, hör auf. Aufhören, sofort…du willst doch auch keinen Sand in deinem Gesicht haben…bla, bla, bla“ (in einem Ohr rein, durch das andere Ohr wieder raus)

Am Abend, als unsere Verbindung gerade sehr stark war habe ich die Situation nochmal kurz thematisiert und versucht sie dafür zu sensibilisieren, und den Willen in ihr hervorzurufen, in Zukunft niemandem mehr Sand über zuwerfen. Sie dazu zu ermutigen, es zu versuchen.

Situation 2:

Wir kommen voller Sand in den Kleidern zu Hause an. Die Kleine, mal wieder schneller als ich, verschwindet in meinem Schlafzimmer. Irgendwann ruft sie ganz leise und zeigt mir ihre nasse Hose. Sie hat Pipi in mein frisch bezogenes Bett gemacht und es lief durch bis zur Matratze. Schnauf! Tief einatmen…ich muss zugeben, ich hatte diesen Gedanken:

„Hat sie das nun extra gemacht?!?! Das kann doch nicht sein!!!!“

Dann aber kam mir Gordon Neufelds Satz in den Sinn

„Kinder wollen es ihren Bindungspersonen rechtmachen. Es ist eine sehr große Verletzung für Kinder, wenn man ihnen eine böse Absicht unterstellt.“

Und tatsächlich, kleinlaut erklärte mir meine Tochter, dass sie sich verstecken wollte damit ich sie suchen kann. Sie wollte ganz einfach spielen.

Dass sie dabei den Sand in meinem Bett verteilt und dann auch noch hineinpieselt, war ein Unfall.

Da muss ICH beim nächsten Mal schneller sein! Und sie dauerhaft motivieren, den Sand nicht überall verteilen zu wollen.

Situation 3:

Ich lasse meine Tochter ein paar Minuten unbeaufsichtigt während ich im Schlafzimmer etwas zu tun hatte. Ich komme in die Küche, sehe ein ziemlich nasses Kind vor mir. Ein Kind, das mindestens genauso nass war wie der Küchenboden. Überall Wasser.

Aaaaaargggghhhh….tief einatmen….ohhhhhhhhm…..

Und ja, sie wollte das Geschirr waschen, hat dabei den Schlauch am Wasserhahn benutzt und hat somit das ganze Wasser aus dem Waschbecken laufen lassen ohne es groß zu merken. Sie war ja damit beschäftigt, unser Geschirr zu waschen. Natürlich mit der Absicht, mir zu helfen…Was soll man da noch sagen.

Früher hätte ich wohl geschimpft. Aber wie weh muss es ihr tun, wenn sie die beste Absicht hatte, vielleicht sogar noch stolz war, weil das Geschirr in ihren Augen sauber war und ich fange an zu meckern? Ich habe mir auf die Zunge gebissen, das Geschirr zur Seite gestellt – und mit ihr gemeinsam alles trocken gemacht.

Ja, solche Dinge nerven. Aber wenn ich möchte, dass sie irgendwann vielleicht mal wirklich eine Hilfe ist, dann kann ich es ihr jetzt nicht verbieten, wo sie es noch freiwillig macht. Davon abgesehen, dass sie sich sowieso nichts verbieten lässt. Die Neugierde und der Drang, die Welt zu entdecken, alles selbst zu machen ist gerade viel größer als jeder Gedanke an ein Verbot.

Mit dieser kleinen Zusammenfassung wollte ich nur mal aufzeigen, dass es sich oft lohnt, einfach innezuhalten und auch mal nachzufragen. Liebevoll, geduldig, interessiert, nicht herausfordernd, anklagend und genervt.

An Tagen wie diesen blicke ich entspannt auf den Tag zurück und klopfe mir auf die Schulter. Mein Schimpfen wird von Tag zu Tag weniger und die Gespräche mit der Kleinen immer besser. Sie will es besser machen, aber kann es eben noch nicht.