Ganztagsschule EntwicklungspsychologieGanztagsschule Entwicklungspsychologie

Ganztagsschule Entwicklungspsychologie

Das Thema „Ganztagsschule“ ist ein sehr umfassendes und kann in einem Artikel nicht gänzlich erfasst werden. Jeder Fall ist anders und manchmal geht es den Kindern vielleicht besser in einer Ganztagsschule als sonst wo.

Ich versuche das Thema hier auf das für mich Wesentliche herunterzubrechen.

Andere Aspekte lasse ich außen vor. 

Das Argument „aber manche Eltern sind nun mal darauf angewiesen“ lasse ich hier unberücksichtigt. Oft gibt es eine Wahl, nicht immer. Und das ist traurig.

Eltern sollten alle in einem gewissen Rahmen eine Wahl haben, wie sie ihr Familienleben gestalten. 

Leider geben das die strukturellen Voraussetzungen schon seit Jahren immer weniger her.

 

 

Die Entwicklung hin zu Ganztagsschulen bereitet mir Sorgen.

An immer mehr und mehr Ecken und Enden wird den Eltern die Verantwortung für ihre Kinder abgenommen. 

Dies ist auch im letzten Entwicklungsgespräch Thema gewesen.

Denn ich möchte die Verantwortung für mein Kind übernehmen, insofern sind mir sehr wenige Dinge im Kindergarten wirklich wichtig.

Mir ist wichtig, dass mein Kind eine gute Beziehung zu mindestens einer Erzieherin (besser noch mehreren) hat und dass sie in der Betreuung gutes, gesundes Essen in guter Gesellschaft erhält.

 

 

Dass sie Zeit und Raum für echtes Spiel hat.

Die Erzieher:innen staunten nicht schlecht, als ich dies äußerte. Ich spürte auch eine gewisse Dankbarkeit und Erleichterung. Die Antwort der Erzieher schockierte mich etwas. 

Es sei selten, dass Eltern den Kindergarten noch als familienbegleitende Einrichtung sehen.

Immer mehr Eltern scheinen dem Kindergarten eine familienersetzende Funktion zuzuteilen und die Erziehungsverantwortung mehr und mehr bei den Erziehern zu sehen.

 

 

Das geht für mich klar in die falsche Richtung.

Ich bin gerade dabei, nach einer neuen Wohnung zu suchen und schaue dabei genau, welche Schulen es an verschiedenen Orten gibt.

Dass mittlerweile fast alle ein Ganztagsangebot haben, kann ich ja noch verstehen. Dass aber scheinbar angestrebt wird, die Ganztagsschule zur Pflichtveranstaltung zu machen, macht mir Angst.

Grundschüler, die bis 16 oder 17 Uhr in der Schule sind.

Wo bleibt da die Leichtigkeit? Ja, viele Schulen haben tolle Angebote (nicht alle). 

Die Schule soll ja vom Lernraum zum Lebensraum werden.

Trotzdem, wo bleibt da die Familie, der Heimathafen, die Ruhe, aus der sprichwörtlich die Kraft kommt?

Die Wurzeln, die eine so wichtige Bedeutung für das Leben haben?

 

 

Unstrukturierte Zeit, in der das Kind tun und lassen kann, was es will?

Ich stelle mir nur gerade vor, wie unsere Abende aussehen würden, wenn mein Kind um 17 Uhr aus der Schule kommen würde. 

Es wäre wohl um 17.30 Uhr zu Hause, dann wäre Zeit für das Abendessen und danach wäre der Tag auch schon bald vorbei.

Ich würde jedenfalls nicht in einen Ort ziehen, in dem es keine Option zur Halbtagsschule gibt.

Andererseits frage ich mich, wie es meinem Kind dabei ginge, wenn es mit ansieht, dass fast alle Freunde in der Schule tolle Sachen machen und nur sie nach Hause gehen muss.

Denn das wird doch langfristig die Entwicklung sein. 

Mehr und mehr Eltern werden sich für den Ganztagsbetrieb entscheiden (müssen). 

Die Halbtagskinder sind oft von den angebotenen AGs ausgeschlossen und somit irgendwie nicht so richtig dabei.

Aus entwicklungspsychologischer Sicht geht es immer darum, ein Auge darauf zu haben, wie die Kinder ihr menschliches Potential entfalten können und was sie dazu brauchen.

 

 

Das menschliche Potential hat nichts mit Schulnoten zu tun!

 

Zur Entfaltung des menschlichen Potentials benötigen Menschen Bindung, Ruhe (vor Bindungssuche, vor dem Streben nach Nähe) und echtes Spiel.

Nur durch die schützende Bindung behalten sie den Zugang zu ihren Gefühlen und das Gehirn kann sich um die Reifung „kümmern“ und muss die Panzerung nicht andauernd hochfahren.

Voraussetzung, dass Schule gelingen kann und die Reifung nicht ins Stocken gerät, ist also eine zuverlässige Bindung. 

Am besten natürlich eine sehr gute Bindung an die Lehrkraft.

Da diese aber immer weniger im Mittelpunkt steht, binden die Kinder sich immer stärker an Gleichaltrige. Diese bieten aber keinen zuverlässigen Schutz vor seelischen Verletzungen. Im Gegenteil, meistens sind sie die Hauptquelle von Verletzungen.

Kommt nun ein Kind nach einem anstrengenden Vormittag in der Schule zurück nach Hause und kann sich dort in seinem Heimathafen sicher und geborgen fühlen, kann das Gehirn die Panzerung wieder herunterfahren und das Kind kann sich wieder öffnen.

Bleibt ein Kind jedoch bis spät nachmittags in der Schule und ist es dort nicht durch eine Bindung an einen Erwachsenen geschützt, sieht die Sache schon ganz anders aus.

Dann kommt das Kind vielleicht voller fauler Frustration nach Hause und tobt sich erstmal aus. Oft reagiert die Familie dann noch mit Unverständnis, so dass das Kind dann auch zu Hause die Panzerung nicht mehr loskriegt. Ein Teufelskreis beginnt.

Am ehesten kann man dies an den vielen Kindern beobachten, die „cool“ sind, die nicht mehr die richtigen Tränen weinen und die sich von nichts mehr aus der Fassung bringen lassen. 

Sätze wie „ist mir doch egal!“ lassen bei mir alle Alarmglocken ringen.

Es gibt natürlich viele Symptome, die darauf hindeuten.

Die vielen unruhigen Kinder in der Schule, zum Beispiel. Ganz oft vielleicht einfach nur die Folge von zu viel Konfrontation mit Trennung. Trotzdem wird die Schuld bei den Kindern gesucht und die Symptome werden mit Medikamenten therapiert.

 

 

Ich darf darüber gar nicht nachdenken. So eine verkehrte Welt.

Das Fatale ist noch, dass das Kind sich oft an die Umgebung anpassen kann und dann weiterhin funktioniert.

Ein stark gepanzertes Kind kann trotz der Umstände eine super Leistung in der Schule bringen und nach außen hin so wirken, als würde es alles mit Bravour meistern.

Hier soll noch kurz erwähnt werden, dass es natürlich auch Schulen und Lehrer gibt, die es schaffen, dem Kind den geschützten Raum zur Verfügung zu stellen, den es für seine Entwicklung braucht.

Es gibt sie bestimmt und ich hoffe auf ein bisschen Glück für uns, dass wir genau so eine Schule erwischen werden. Trotzdem will ich weiterhin die Hauptverantwortung für mein Kind tragen.

Die Familie, die Eltern und Großeltern, andere verbundene Erwachsene, deren Liebe so wichtig für die Reifung der Kinder ist, bekommt immer weniger Raum, wenn der Schule immer mehr und mehr Raum gegeben wird.

Hast du Erfahrung mit Ganztagsschulen? Wie klappt das bei euch? Oder was denkst du darüber?

 

8.2.2024 7 Jahre später…Ende der Grundschulzeit- Weiterführende Schule

 

Welche weiterführende Schule ist die richtige?

Puh, so schnell geht die Grundschulzeit vorbei. Trotz Corona, Homeschooling und vielen Lehrerwechseln, blick meine Tochter auf 4 wirklich tolle Jahre zurück. “Wir lernen mit Freude”, ist ihre Erklärung, wenn ich mich mal wieder über die vielen Alternativprogramme wundere. 

Im Rückblick kann ich nur bestätigen, dass es schlicht und einfach auf die Beziehungen zu den Erwachsenen an der Schule und auch in der Betreuung ankommt.

Dankbar schaue ich zurück auf die fürsorglichen und beziehungsorientierten Menschen, die meine Tochter in den Jahren der Grundschulzeit begleitet haben.

Die Atmosphäre an der Schule macht den Unterschied. Das Verhältnis zwischen den Lehrkräften und auch die Einstellung der Schulleitung sind wichtig. So leicht ist das gar nicht, herauszufinden, wie die Stimmung an der Schule ist. 

Tage der offenen Tür, finde ich, geben einen guten Eindruck darüber. Oft sind da auch Schüler*innen anwesend, die wohl am besten wissen, wie es an der Schule so ist.

 

 

Vielleicht ist das Bauchgefühl doch auch ein ganz guter Ratgeber, im Fall der Schulwahl.

Nun stehe ich wieder vor der Frage: Ganztagsschule oder Halbtagsschule?

Für mich wäre ganz sicher eine Ganztagsschule die bessere Wahl. Die Hausaufgaben würden ausgelagert und ich hätte endlich mal einen Zeitpuffer zwischen Erwerbsarbeit und Care-Arbeit. 

Nur, wie wäre mein Kind drauf, wenn es um 16 Uhr nach Hause kommt und noch Vokabeln lernen müsste oder für die Arbeit am nächsten Tag? Das Ganztagskonzept, das uns gestern vorgestellt wurde, hat mich einfach nicht überzeugt.

Auch das Gespräch mit dem Elternbeirat hat mir deutlich gemacht, dass dieses Konzept nicht das Richtige für uns ist.

Ganztag könnte vielleicht für uns funktionieren, wenn in der Schule dafür gesorgt wird, dass am Nachmittag alles erledigt ist und wenn die Kinder genug Raum für Bewegung und Sport und Spiel haben.

Wenn den Fächern Sport und Kunst eine gewisse Wichtigkeit beigemessen würde und mein Kind genug Zeit für kreativen Ausdruck bekommen würde.

So habe ich mich für die Schule entschieden, die um 13 Uhr endet und bei der für mich noch ziemlich viel Care Arbeit übrig bleibt. Wir werden sehen, wie es läuft.

Bei der weiterführenden Schule spielt natürlich auch eine Rolle, wo alle anderen Kinder hingehen. Das sollte nicht der einzig ausschlaggebende Punkt sein, aber einer davon. 

Wenn mein Kind mit anderen Kindern mit dem Fahrrad in die wohnortnahe Schule fahren kann, bedeutet das vielleicht auch etwas Entlastung. 

 

 

Es sind einfach so viele Punkte, die in die Entscheidung mit reinspielen, dass dir niemand die Wahl der passenden weiterführenden Schule abnehmen kann.

 

Für mich war wichtig: Wohnortnähe, Stimmung an der Schule, passen die Leistungen meines Kindes an die Anforderungen der Schule?

Kann diese Schule gewährleisten, dass mein Kind die Freude am Lernen behält? Natürlich ist das nicht so leicht einzuschätzen. Mein Gefühl sagt mir aber, dass das an der ausgewählten Schule möglich ist.

All das, was ich 2017 an Ganztagsschulen geschrieben habe, spielt in meine Entscheidung natürlich auch mit rein.

Wobei ich mittlerweile denke, wenn das Konzept stimmt und es genügend fürsorgliche Erwachsene an der Schule gibt ,die die Kinder betreuen, kann Ganztag gelingen. 

Es wäre für mich eine große Erleichterung und würde wahrscheinlich für mehr Gelassenheit und Entspannung in unserem Alltag führen. Denn was hat ein Kind davon, wenn es früh nach Hause kommt und auf eine genervte, weil überforderte Mutter trifft? 

Die Schule, die wir uns gestern angeschaut haben, hat mich überzeugt, das Ganztagsprofil leider überhaupt nicht. Deswegen wird es für uns Halbtag bleiben.

Nach 5 Stunden sitzen, dann 45 Minuten in der Kantine sitzen, um danach 45 Minuten über den Hausaufgaben zu sitzen.

Danach nochmal 2 Schulstunden im Unterricht sitzen und an zwei Tagen zumindest eine AG wählen dürfen. 

Das ist für mein Kind wirklich zu viel sitzen und zu wenig Raum für Individualität.

Mal ganz davon abgesehen, dass die Hausaufgaben wohl oft nicht in der Zeit geschafft werden und das Lernen für Klausuren am Nachmittag stattfinden müsste. Wie bitte??? 5. Klasse und mehr Arbeit als viele Erwachsene?

Hauptsache Ganztag kann eben auch nicht der richtige Weg sein.

Wenn Ganztag, dann doch bitte so, dass er zu kindlichen Bedürfnissen passt. Fünftklässler*innen sind sie in der Regel 10 Jahre alt.

Sollten sie in diesem Alter schon so viel Zeit mit Sitzen und angeleiteten Aufgaben verbringen?

Ich höre jetzt auf, hoffe auf engagierte Lehrkräfte und eine schöne Schulzeit für mein Kind.