Dass ich so früh mit dem Thema „Förderung“ in Kontakt kommen würde, habe ich nicht erwartet.

Es traf mich überraschend, als die Erzieherin mir die Anmeldung zu einer Sprachförderung im Kindergarten in die Hand drückte.

Sie erklärte dazu, es sei freiwillig, da meine Tochter ja kein Förderkind sei. Damit geriet das Angebot bereits in Vergessenheit. Den Zettel konnte ich am Abend schon nicht mehr finden, somit hatte es sich für mich erledigt.

Wobei ich mir im Nachhinein die Frage stelle, ob es denn für Förderkinder verpflichtend ist.

Nun wurde ich noch 3 Mal auf diesen Zettel angesprochen, so dass ich mich telefonisch bei der Leitung des Kindergartens meldete und erklärte, dass ich entschieden habe, meine Tochter nicht teilnehmen zu lassen und dass ich deswegen das Formular nicht unterschrieben habe.

Ihre Enttäuschung darüber war direkt zu spüren.

 

Das sei noch nie vorgekommen, dass eines der Kinder nicht an dem Programm teilgenommen hat und auch in diesem Jahr sei meine Tochter die Einzige, die dann nicht dabei sei.

Da habe ich erstmal geschluckt. Den Druck, den ich verspürte, kannst du dir vielleicht vorstellen. Als sie dann noch nachschob „Das ist wirklich sehr schade, dass ihre Tochter nicht dabei sein kann, denn die Kinder profitieren davon sehr!“, kam ich ins Schwanken.

Dennoch blieb ich bei meiner Entscheidung. Meine Tochter redet wie ein Wasserfall von morgens bis abends, sehr deutlich und überzeugend.

Wir lesen und singen viel zu Hause, da muss ich sie doch nicht von 13.45 bis 14.30 in ein Förderprogramm stecken, wo doch die Alternative „freies Spiel“ ist.

Dieses Erlebnis gab mir einen Vorgeschmack darauf, was mich in Zukunft erwarten würde.

Wie viele Entscheidungen werde ich noch treffen müssen, bei denen ich mit meinen Ansichten der breiten Masse begegne.

 

Grenze ich mein Kind dadurch aus? Ist es richtig, nur, weil alle es tun? Ist es falsch, nur, weil einer es tut?

Gibt es hier ein richtig und ein falsch? Letzten Endes muss doch jeder für sich entscheiden, was das Beste für die Familie und das Kind ist. Ich hole meine Tochter lieber 20 Minuten früher ab und singe selbst mit ihr.

Ich hätte ihr gerne ermöglicht, an dem Programm teilzunehmen, wenn sie Lust darauf hat. Wollte sie aber ungern dazu für mehrere Monate verpflichten, zumal ich den Nutzen in unserem Fall nicht sehe.

Da ich mich viel mit der kindlichen Entwicklung beschäftigt habe weiß ich ja nun auch, dass solche Programme nicht unbedingt das sind, was mein Kind braucht. Am Ende ist es doch im freien Spiel, wo das Kind sich entwickelt.

Was die Entwicklung von Kindern angeht bin ich außerdem davon überzeugt, dass diese nicht beschleunigt werden kann, in dem man an dem Kind herumzieht.

Trotz meiner intensiven Auseinandersetzung mit dem, was Kinder brauchen und meiner Sicherheit darüber, dass solche Programme für uns nicht förderlich sind, stehe ich nun zwischen den Stühlen.

Ich empfand es als sehr unangenehm, mich rechtfertigen zu müssen wieso meine Tochter nicht dabei sein wird.

Zum Glück wurde mein Argument mit der Uhrzeit und der Müdigkeit meiner Kleinen akzeptiert. Weil in eine Grundsatzdiskussion über die Sinnhaftigkeit solcher Programme wollte ich nicht führen.

Ich lehne diese Frühförderprogramme nicht kategorisch ab. Habe aber entschieden, dass ich meine Tochter lieber spielen lasse und mich um ihre Sprachentwicklung selber „kümmere“.

Ich hoffe, das macht meine Kleine nicht zur Außenseiterin.

PS: Sollten die Ressourcen nicht für die Kinder ausgegeben werden, die von einer solchen Förderung profitieren können? Sollten wir wirklich pauschal, mit der Gießkanne Kinder in Frühförderprogramme stecken?

Das führt dann nämlich unter anderem auch dazu, dass Kinder, die Hilfe benötigen keinen Therapieplatz bei der Ergotherapie bekommen. Denn wenn alle 4-5 Jährigen zur Ergo gehen, um zu lernen, wie sie den Stift richtig halten, dann ist eben kein Platz mehr übrig für Kinder mit größerem Bedarf.