Attachment ParentingAttachment Parenting, ein paar Gedanken.

Manchmal kommt es mir in Diskussionen so vor, als gäbe es feste Regeln, mit denen man eine gute Beziehung zum Kind aufbauen kann. Mal davon abgesehen, dass es die Beziehung des Kindes zum Elternteil ist, die wichtig ist und nicht umgekehrt.

Wir können nämlich unser Kind über alles lieben, ohne dass diese Liebe wirklich bei dem Kind einsinkt.

Es fallen immer wieder die Begriffe Stillen, Familienbett, Tragen. Klar, ich stimme dem zu, sicherlich oft gut für die Bindung, aber eben nicht das einzig Richtige und keine Garantie für eine gute Bindung.

Eltern können all dies tun und trotzdem emotional für ihr Kind nicht erreichbar sein, so dass es trotz all dieser Verhalten nicht zwangsläufig zu einer tiefen Bindung kommen muss.

Es gibt Familien, bei denen dieser Druck eher dazu führt, dass die Eltern-Beziehung belastet wird. Ist zum Beispiel Papa nicht mit dem Familienbett einverstanden und zieht deshalb aus dem Schlafzimmer aus, stört das oft die Harmonie in der Familie.

Bilden sich Spannungen in der Familie, weil eines der Elternteile meint, unbedingt alle Kriterien des „Attachment Parenting“ erfüllen zu müssen, dann tun sich die Familien damit keinen Gefallen.

Bindung ist viel mehr als Tragen, Familienbett und Stillen. Außerdem liegt der Fokus meist auf den frühen Jahren bei der bedürfnisorientierten Erziehung. Natürlich sind diese besonders wichtig. Emotionale Bindungstiefe ist aber nicht in 2 Jahren erreicht. Insofern ist es nicht mit Stillen, Familienbett und Tragen getan.

Es geht nicht so sehr darum, was wir für unsere Kinder tun. Es geht darum, wer wir für unsere Kinder sind. Es geht um die Haltung, um das, was wir signalisieren.

Ein Kind kann sich auch wunderbar an die Eltern binden, wenn es eben all diese bindungsfreundlichen Verhaltensweisen nicht hat.

Ich kenne Frauen, die ihr erstes Kind gestillt haben und sich dabei einfach schlecht fühlten. Es klappte nicht, sie hatten große Angst, etwas falsch zu machen. Sie waren dauernd angespannt und unsicher.

Sie konnten dem Kind nicht der sichere Hafen sein, den es braucht. Denn Kinder spüren sehr genau, wie es ihrer Mutter geht. Sie spüren, wenn sie unsicher und ausgelaugt ist.

Beim zweiten Kind haben besagte Mütter vieles anders gemacht. Erst mit schlechtem Gewissen, dann aber mit Überzeugung und Selbstsicherheit. Entspannt und gelassen.

Flasche von Anfang an und eigenes Zimmer. Ein no-go bei den meisten Attachment Parenting Verfechtern.

Wenn ich mir aber nun diese Familien ansehe, sehe ich eine entspannte Mutter, die die ersten Lebensmonate voll genießt und für ihr Kind da ist.

Die aber auch zu ihrem benötigten Schlaf kommt und stark und fest in ihrer Mutterrolle steht.

Uns fehlt leider oft die Infrastruktur, um so bedürfnisorientiert zu leben, wie wir das gerne würden. Wenn dabei die Mutter oder die Ehe auf der Strecke bleibt tun wir unseren Kindern keinen Gefallen.

Die brauchen nämlich gesunde und glückliche Eltern und nicht welche, die vor Erschöpfung nicht mehr wissen, was sie eigentlich brauchen, damit es ihnen gutgeht.

Das bedeutet auch nicht Attachment Parenting. Das war alles eigentlich ganz anders gemeint und von den meisten wird es auch anders gelebt.

Trotzdem gibt es Mütter, die wegen diesem ganzen Gerede um Bedürfnisse ein schlechtes Gewissen haben, weil sie zum Beispiel nicht stillen möchten.

Dies hier ist kein Plädoyer für nicht stillen oder sonstiges.

Meine fast 5-Jährige Tochter kriecht jede Nacht zu mir ins Bett und wird nach wie vor begleitet, bis sie schläft.

Für mich ist unser Abendritual wertvolle Zeit, die ich irgendwann missen werde. Würde ich jedoch jeden Abend mein Kind genervt ins Bett bringen, bin ich mir sicher, würde das unserer Bindung nicht guttun und ich müsste mir eine Alternative überlegen.

Für mich war Stillen das Einfachste überhaupt – trotz vieler schlafloser Nächte. Der Gedanke, in der Nacht noch eine Flasche zuzubereiten erschien mir nicht als gute Alternative. Ich hörte dann aber irgendwann auf, als sie 9 Monate alt war und es nicht mehr wirklich einforderte. Denn ich hatte sehr viel abgenommen und konnte gar nicht so viele Kalorien zu mir nehmen wie meine Kleine mir abverlangte.

In Diskussionsgruppen zum Thema bedürfnisorientierte Erziehung fallen auch oft Begriffe wie „selbst regulierter Medien-Konsum und Süßigkeiten-Konsum“ und viele interpretieren die Idee, in dem sie versuchen den Kindern alle Wünsche zu erfüllen.

Oft werden dabei die natürlichen Instinkte in Beziehungen, die natürliche Hierarchie nicht beachtet. Das Wort Hierarchie in einer Attachment Parenting Gruppe in den Mund zu nehmen, sorgt nicht selten für schlechte Stimmung.

Dabei wird die fürsorgliche Alpharolle sehr oft einfach falsch verstanden.

Denn auch wenn wir ein Kind gleichberechtigt behandeln. In jeder Beziehung hat einer die fürsorgliche Alpharolle und einer die Abhängigkeitsrolle. Daran gibt es nichts zu rütteln. Das hat die Natur so vorgesehen, sonst gäbe es uns wohl schon lange nicht mehr.

Jede Familie muss ihren eigenen Weg finden. Und auch wenn vieles, was vielleicht in den meisten Fällen gut für die Bindung ist, nicht möglich ist, ist eine gute Kind-Eltern Bindung selbstverständlich möglich.

Es gibt keine Gebrauchsanweisung für Kinder. Was bei Kind 1 wunderbar funktioniert wird bei Kind 2 zum Desaster. Es geht doch viel eher darum, wieder zu unserem Gefühl zu finden und darauf zu vertrauen, dass wir die Antwort für unser Kind sind. Dass wir wissen, was zu tun ist.

Wir brauchen keine Techniken, keine Bücher, keine Ratschläge, kein Konzept. Was Eltern brauchen, sind Einsichten. Kinder wieder richtig verstehen und so selbst zu unseren Lösungen finden.

Und Bedürfnisorientiere Erziehung ist ja eigentlich auch das. Eine Haltung und kein Konzept. Nur leider wird es sehr häufig als Gebrauchsanweisung gelebt und das ist in vielen Fällen nicht immer förderlich.

Uns durch das schwierige Labyrinth der Kindheit hindurch zu navigieren fällt leichter, wenn wir wieder verstehen, wie Reifung funktioniert. Es gibt keinen Ratgeber, der alle Antworten bereithält. Deswegen müssen wir weg von dieser Herangehensweise, mit der Eltern fragen … “Wenn mein Kind A tut, was sollte ich tun…? “

Wenn wir erstmal verstehen wie Kinder sind und wie es unseren Kindern geht, finden wir die Lösungen von ganz alleine. Es geht darum, in die richtige Richtung zu stolpern (Gordon Neufeld) und nicht darum, zu allem direkt die richtige Antwort zu haben.

Ich bin gespannt, was du in den Kommentaren dazu zu sagen hast.